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Stoer die feinen Leute nicht

Titel: Stoer die feinen Leute nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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schwiegen.
    Katja fühlte sich befreit von allen Aggressionen. Sie vergaß die Angst der ersten Stunden. Sie war heimgekehrt in einen Schoß, der Bramme hieß. Es war verrückt, aber sie träumte es: Hier heiraten, hier Kinder großziehen, hier an der Seite eines Mannes seine Erfolge genießen, Biebusch vergessen, die Soziologie vergessen, den Ehrgeiz vergessen. Wie süß der Nachtwind nun die Wiese streift, und klingend jetzt den jungen Hain durchläuft … Da war sie wieder bei ihrem Mörike. Ich denke nichts, ich spreche nichts: ich träume nur… Auch Mörike? Nein. Rimbaud… Was Corzelius wohl dachte? Sein Herz schlug schnell. Sie saßen fast allein am Strand, warum er die Stimmung der Stunde nicht nutzte? War er zu scheu? Oder war er von denen gekauft, die sie aus Bramme vertreiben wollten, und rang nun mit sich?
    „Wir müssen zurück“, sagte Corzelius.
    „Schade…“ Katja wußte, daß er sich um 20 Uhr beim Kommissar vom Dienst einzufinden hatte, um für die Sonntagsausgabe einen Bericht über die nächtlichen Einsätze des Funkstreifenwagens Otto-Anton 17 zu schreiben. Das ließ sich nicht mehr verschieben. Sie selber war mit Kuschka und Frau Haas verabredet – im Wespennest natürlich; unter dem machte Frau Haas es nicht.
    Auf der Rückfahrt diskutierte Katja hektisch über die chinesische Kulturrevolution – weniger vielleicht aus Interesse an der Sache, als aus dem Bestreben, die lyrische Stimmung abzubauen und Corzelius daran zu hindern, ihr den Arm um die Schultern zu legen und sie nachher auf dem Parkplatz zu küssen. Sie liebte, wenn es ernster sein sollte, das Behutsame, das Allmähliche. Und außerdem wußte sie ja nicht, ob Corzelius sein Verliebtsein nicht nur heuchelte…
    Beim Abschied vor dem Wespennest ging es dann auch einigermaßen sachlich zu.
    „Kann man sagen, was immer unter unseren Romanen steht: Fortsetzung folgt?“ fragte Corzelius.
    Sie gab sich hintergründig. „Man kann, wenn man kann.“
    Damit verschwand Katja im Lokal, während Corzelius zur Redaktion hinüberging.
    Die beiden diplomierten Kollegen waren beschäftigt. Kuschka hatte sich eine doppelte Portion Tatar bestellt und vermengte das rohe Fleisch mit Eigelb, Paprika und Kapern, wobei er schon beim Abschmecken ein gutes Viertel verzehrte, während Frau Haas mit sichtlicher Ungeduld die Gräten aus ihrer Forelle pulte.
    „Gibt’s was Neues?“ Katja setzte sich und griff nach der Speisekarte.
    „Nein“, antwortete Kuschka. „Immer noch Waffenstillstand. Biebusch will erst klein beigeben, wenn Kossack handfeste Beweise auf den Tisch legt.“
    „Das kann er nicht“, sagte Katja, „weil es keine gibt.“
    „Eben, eben!“ Kuschka grinste. „Keine Angst – Biebusch ist auf Frau Haas noch saurer als auf Sie.“
    „Warum denn das?“
    „Weil sie ihn mächtig angefahren hat… Sie waren gerade weg, da holt er eine Ausarbeitung von Frau Haas aus der Tasche – amerikanische Gemeindeforschung, Warner, die Lynds und so – und fragt: Ausgezeichnet – wer hat denn das geschrieben? Frau Haas geht natürlich in die Luft wie das HB-Männchen und beschimpft ihn fürchterlich…“
    Bei Frau Haas kam der Ärger wieder hoch. „Ich dachte, das wäre wieder so eine Spitze von ihm. Wo er doch annimmt, daß mein Mann alles für mich schreibt bzw. geschrieben hat – einschließlich meiner Diplomarbeit.“
    Katja nickte. Frau Haas hatte das Pech, daß ihr Mann ebenfalls Soziologe war, und ein anerkannt guter dazu. Und das bei ihrer Sucht nach Emanzipation.
    „Dabei wollte Biebusch nur wissen, wer denn das Manuskript so sauber abgetippt hat“, lachte Kuschka.
    Frau Haas kam langsam in Fahrt. „Biebusch – Deutschlands Größter! Wodurch ist der denn was geworden? Dadurch, daß er 1955 aus Amerika zurückgekommen ist und all das, was die da seit 1933 zusammengetragen hatten, als seine Soziologie verkauft hat. Selber ist er doch so kreativ wie ein Felsblock. Aber das elitäre Gehabe! Keine Ahnung, wie eine Fabrik von innen aussieht, aber dumme Sprüche klopfen über die Optimierung der Effizienz durch einen kooperativen Führungsstil. Großes Gerede von Demokratisierung und so – und uns behandelt er wie seine Leibeigenen. Da spuckt er große Töne von wegen Professionalisierung und Hingabe an die Sache, aber wenn er weniger als 10 000 Mark daran verdient, führt er keine Untersuchung durch. Unter dreitausend…“
    Sie brach abrupt ab, denn in diesem Augenblick kamen Kossack und Lankenau aus dem Clubzimmer und

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