Stoer die feinen Leute nicht
blieben vor dem Tresen stehen.
„Zum Abschluß einen Korn?“ fragte Kossack.
„Warum nicht“, sagte Lankenau. „Früher hieß es ja, ‚Arbeiter meidet den Alkohol, kauft euern Schnaps im Konsum!’ – aber heute…“
Sie tranken beide, und Katja zitterte vor verhaltener Erregung. Sie wußte, wer Kossack war. Hatten sich die beiden geeinigt? Sah ihr Kompromiß so aus, daß man die studentische Hilfskraft Katja Marciniak opferte?
„Das sieht ja weniger schön aus“, brummte Kuschka.
Der Ober kam. Katja bestellte irgend etwas und wußte Sekunden später nicht mehr, was sie bestellt hatte.
Kossack geleitete Lankenau zur Tür.
„Lassen wir das mit der Kontaktschuld“, sagte Lankenau. „Wenn jeder, der dem Führer jemals die Hand gedrückt hat, heute aus seinem Beruf rausfliegen sollte, hätten wir einige tausend Arbeitslose mehr – dabei sicherlich einige wichtige Stützen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung…“
„Ich habe nicht gedrückt… Ich bin überhaupt gegen jeden Druck. Ich verlasse mich aber auf Ihr Wort, daß der Schlußbericht nicht in eine Beschimpfung meiner Freunde und einer Forderung nach Aufhebung des Privateigentums ausartet…“
Katja duckte sich hinter Frau Haas, aber es half nichts, Lankenau erkannte sie.
„Da sitzen ja meine jungen Freunde!“ Er griff sich einen freien Stuhl, stellte ihn neben Katja an den Vierertisch, begrüßte sie und ließ sich mit Kuschka und Frau Haas bekannt machen. „In der Höhle des Löwen, das lob ich mir! Ober, eine Lage für uns!“ Er setzte sich und strahlte sie an, während sich Kossack unter dem Eindruck dieser Demonstration in die hinteren Gemächer zurückzog. „Ich habe gerade mit ihm über die Begrenzung des Wahlkampfs gesprochen. Klar, daß wir uns dabei auch über Ihre Studie unterhalten haben. Ich glaube nicht, daß Kossack Ihnen noch Steine in den Weg legen wird.“ Er schmunzelte. „An Ihrer Untersuchung, da hängt jetzt auch mein Prestige dran…“
Er redete und redete, ließ sie kaum zu Worte kommen. Hans Lankenau, Volksschullehrer, Funktionär, Bürgermeister. Ein zerknautschter brauner Anzug von der Stange, ein überdimensionaler, goldgefaßter Lapislazuli am kurzen, fleischigen Ringfinger, graue Haare, Beamtenschnitt, zwei Goldzähne, ein Hamstergesicht, schlechte Zähne, Mundgeruch, zwei kurze Stummelbeinchen und ein unästhetischer Schmerbauch. Katja fand ihn herzlich unsympathisch. Und ein übler Schwätzer und Wichtigtuer dazu… Mit wem man so im selben Boot zu sitzen kam! Wenn sie da an Buth dachte…
„Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung“, sagte Kuschka.
Der Ober kam. „Vier Bier, vier Korn!“
Lankenau hob sein Schnapsglas. „Auf Ihr Wohl – und auf Ihre Studie!“
Sie bedankten sich.
„Auf Ihren Wahlsieg!“ sagte Kuschka höflich.
Sie kippten den Klaren und spülten mit Bier nach.
Lankenau wurde noch um einige Grade kumpelhafter. „Noch haben sie die Schlacht nicht gewonnen – es gibt hier eine Handvoll Fanatiker in Bramme, die Ihnen ganz hübsch zusetzen werden. Die schrecken vor nichts zurück. Die stehen so weit rechts – rechts von denen gibt es nur noch die Wand. Also: Nerven behalten! Zusammen schaffen wir’s schon.“ Er klopfte Kuschka auf die Schulter. „Nicht wahr, Herr Kutscher!“
„Kuschka.“
„… Herr Kuschka, pardong… Mit Kossack, Buth und Trey haben wir ja erst mal einen sehr schönen Burgfrieden geschlossen. Die paar Irren hier werden sich auch noch beruhigen. Also…“ Er stürzte den Rest seines Bieres hinunter. „Halten Sie die Ohren steif!“ Er klopfte nach Studentenmanier auf den Tisch, drückte dem Ober ein paar Münzen in die Hand, murmelte etwas von einer Versammlung, die er leiten müsse, und rauschte hinaus.
Für die nächsten zwanzig Minuten hatten sie neuen Gesprächsstoff.
Katja bemühte sich feuilletonistisch. „Um mit unserem verehrten und jüngst verstorbenen Altbundespräsidenten zu sprechen: Lankenau is heavy on wire. Ein kleiner Wehner im Lübke-Pelz.“ Ihr Essen – sie hatte, wie sich herausstellte, wieder einmal Bauernfrühstück geordert – war zu fett; sie ließ die Hälfte stehen.
Frau Haas versuchte es literarisch. „Er erinnert mich irgendwie an den Bürgermeister Garels in Bauern, Bonzen und Bomben.“ Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, zog sie ein dickes Taschenbuch aus ihrem Lederbeutel und warf es auf den Tisch. „Irgendwie eine Fallada-Figur.“
Kuschka sah es fachspezifisch. „Männer wie Lankenau
Weitere Kostenlose Bücher