Stoer die feinen Leute nicht
kostet’s 10 Mark. Verdammt, wo war das Scheißding denn? Sie blieb stehen, ihre Kleidung konnte kaum noch nasser werden. Die Laterne am Straßenrand kaputt, über dem Eingang zur Pension Meyerdierks eine Fünfzehn-Watt-Lampe. Ich muß sparen, wo ich nur kann, Fräulein Marciniak.
Hatte sie den Schlüssel im Auto liegenlassen, als sie mit Corzelius vom Baden gekommen war? Oder im Wespennest, als sie Frau Haas ihren Kamm geborgt hatte?
Frau Meyerdierks rausklingeln…? Lieber nicht.
Oben im Zimmer des großkotzigen Abteilungsleiters brannte noch Licht. Ein Steinchen…? Nein, der wurde nur wieder ein Opfer seiner Säfte: Hoffentlich haben Sie nicht auch den Schlüssel zu Ihrem Keuschheitsgürtel verlegt…
Zwei Wagen rasten vorüber.
Da war er! Im Brillenfutteral. Dafür steckte die Sonnenbrille ungeschützt in der Seitentasche. Na also!
Sie blickte hoch, um nicht über die Stufen zu stolpern, die zur Pension hinaufführten. Frau Meyerdierks ausgetretene Freitreppe.
Nanu…!? Von der Brammermoorer Heerstraße schoß ein kompakter Wagen heran. Ohne Licht auch noch, der Idiot. Sicher zwei Promille. Na, ihr konnte es im Augenblick egal sein, sie…
Der Wagen machte einen Schlenker.
Mein Gott!
Das war Absicht.
Der will mich zerquetschen.
Mit der Stoßstange die Beine ab… Wie mit einem Messer.
Es gibt hier eine Handvoll Fanatiker in Bramme, die Ihnen noch ganz hübsch… Die schrecken vor nichts zurück…
Soziologin, Kommunistin, Anarchistin.
Sie wollte springen, die Stufen hinauf hasten. Sie rutschte aus und stürzte… Fahr überall hin, aber nicht nach Bramme… Aus!
Der Wagen zischte vorüber, Wassertröpfchen schlugen ihr wie kleine Kiesel ins Gesicht.
Sie rappelte sich hoch.
Ein kurzes Hupen.
Ein höhnisches Hupen. Also kein Betrunkener. Ein Mordanschlag.
Oder ein Bluff. Ein Versuch, sie aus Bramme zu vertreiben.
Nerven behalten!
Wie stark die sich fühlten. Die. DIE. Wer sind sie. Verdammt noch mal?
Der Wagen war längst auf dem Marktplatz verschwunden.
Sollte sie die Polizei alarmieren? Sich lächerlich machen? Verfolgungswahn, was? Wie sah denn der Wagen aus? Ja, wie sah er aus? Ein Ford, ein Opel, ein Simca, ein Peugeot? Sie hatte es nicht erkannt; nicht mal die Farbe wußte sie. Zeugen? Nein. Spuren? Nein. Sie hatte sich nicht mal Knie oder Hände zerschrammt. Sie wollen sich wohl interessant machen hier, was? Wir sind doch nicht in Chicago hier – wir sind in Bramme! Eben. In Bramme steckt man keiner Frau Krebsfleisch in die Tasche, um sie des Ladendiebstahls zu überführen, und in Bramme benutzt man sein Auto zum Fahren und nicht als Mordinstrument. Kein Mensch will Sie aus Bramme vertreiben! Am besten, sie sprach morgen mit Corzelius darüber…
Sie zitterte noch immer am ganzen Körper. Endlich schloß sie auf und ging in ihr Zimmer. Ihr Magen revoltierte. Das fette Bauernfrühstück… Sie lief zur Toilette und übergab sich.
Wieder im Zimmer schluckte sie eine lindgrüne Tablette. Librium Tabs. Gegen innere Unruhe- und Spannungszustände, verschreibungspflichtig. Die hatte sie sich vor der großen Statistikklausur geben lassen.
Sie stellte ihr Radio an. Ein Jazzkonzert, Duke Ellington vielleicht. Das ging ihr auf die Nerven. Ein schneller Druck auf die AUS-Taste. Aah! Auf dem Fensterbrett stand eine Flasche Bier. Lauwarm das Zeug, aber ein zusätzliches Schlafmittel. Sie trank die eine Hälfte, die andere Hälfte schüttete sie ins Waschbecken. Stank wie in ‘ner Kneipe.
Um alles in der Welt: Jetzt mit jemand sprechen! Aber mit wem? Kein Telefon im Zimmer. Kuschka soff irgendwo, Frau Haas schlief schon, Biebusch hockte in Bremen und tratschte mit Kollegen, Corzelius fuhr im Streifenwagen durch die Gegend, Lemmermann saß in seinem Laden und… Lemmermann? Ob sie nicht…? Nein. Wie der sie angestarrt hatte…
Zum Kotzen, dieses Alleinsein!
Sie wusch sich, legte sich ins Bett.
Dieses verdammte Zimmer – heiß wie eine Sauna. Draußen tobte das Gewitter los, da ließ sich das Fenster nicht öffnen. Und auch sonst hätte sie’s geschlossen gelassen. Sie sprang auf und sah nach, ob der Schlüssel in der Tür steckte, ob sie auch abgeschlossen hatte. Ja. Sie drehte den Schlüssel so, daß man ihn von außen nicht herausstoßen konnte. Dann machte sie den Kleiderschrank auf, sah hinein, wollte sich bücken, um unters Bett zu schauen, kam sich aber sofort lächerlich vor und stieß nur einen am Boden abgestellten leeren Joghurtbecher darunter. Nichts.
Irgendwo schlug es
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