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Stoer die feinen Leute nicht

Titel: Stoer die feinen Leute nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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ans Licht, hielt aber nirgends. Die Fahrgäste zeigten kein Interesse daran, sie auch nicht. Stationsschilder huschten vorüber, aber sie vermochte die Namen nicht zu lesen. Komisch. Wo war sie? Es wurde beängstigend. Es kamen bizarre Bahnhöfe, Tropfsteinhöhlen, Bergwerke, gläserne Kugeln unter Wasser mit glotzenden Fischen, ein militärischer Kommandostand, eine unterirdische Munitionsfabrik. Plötzlich schoß der Zug ins helle Licht. Sie fuhren durch eine Landschaft voller Birken und Wiesen. Vor ihnen eine Stadt. Bramme! Der Zug rollte gemächlich durch das Moor, war mit einemmal ein alter Bummelzug. Eine schöne Fahrt. Sie sah sich um im Abteil. Da war er wieder, der Mann mit der Maske. Sie wollte nicht nach Bramme, sie griff nach der Notbremse, die riesengroß über ihr schwebte, bekam sie zu packen, zog… Eine Detonation. Etwas klirrte…
    Katja schnellte hoch. Traum? Wirklichkeit? Ein Motor heulte auf. Ein realer Motor.
    Der Wind blähte die Vorhänge. Nanu – das Fenster war doch… Was ist geschehen?
    Ein Einbrecher…? Mein Gott, wenn…
    Ein Knacken. Die Wechselsprechanlage: „Ist Ihnen was passiert, Fräulein Marciniak?“ Frau Meyerdierks.
    „Was ist denn…?“
    „Da hat einer mit ‘nem Stein Ihre Scheibe eingeworfen – ich seh’s vom Erker aus. Ich war gerade… Ich komm gleich mal runter… Ich muß die Polizei…“ Knacken. Ende.
    Katja ging zum Vorhang, faßte ihn vorsichtig an, duckte sich unwillkürlich. Wenn nun draußen… Wenn einer mit einer Pistole… Dann riß sie den senffarbenen, schmierigen Stoff mit einem energischen Ruck zur Seite. Diese feigen Schweine!
    Nun gerade!
    Natürlich fiel kein Schuß. Die Knochenhauergasse lag leer.
    Alles nur Bluff!
    Doch ihre Stimmung kippte sofort wieder um, als sie an den Mann mit dem Schneidbrenner dachte. Gräßlich! Sie hatte keine Ahnung von Parapsychologie, hielt nichts vom Übersinnlichen, aber… Nur ein Traum? Oder vielleicht doch eine Warnung…?
    Sprüche schossen ihr durch den Kopf. Keiner entgeht seinem Schicksal …
    Der Mensch denkt, Gott lenkt…
    Du kannst dich drehn und winden, der Arsch bleibt immer hinten… Das war der Lieblingsspruch der Großmutter gewesen. Die Großmutter. Die hatte sie vor Bramme gewarnt.
    Katja war müde und zerschlagen. Apathisch zog sie sich an. Gleichgültig starrte sie auf das gezackte Loch in der Scheibe.
    Der Streifenwagen kam, die Polizisten besahen sich das Fenster, hoben den Stein auf. Grau war er, drei Kilo vielleicht.
    „Etwas leichter als eine Frauenkugel“, sagte Corzelius. „Eine Olympiasiegerin kommt über zwanzig Meter damit. Wenn man sie an den Kopf… Aber hier haben ja Scheibe, Gardine und Vorhang gebremst.“
    Katja verstand nicht, wie Corzelius so schnell in die Knochenhauergasse gekommen war. Hatte er vielleicht…? Quatsch. Er wollte ja die ganze Nacht mit Otto-Anton 17 umherfahren und eine Reportage für die Wochenendausgabe… Sie riß sich zusammen:
    „Na bitte, der Stein ist ja wirklich ein gefundenes Fressen für Sie.“
    „Tja, man kann sich schon die Zähne daran ausbeißen.“
    Corzelius blödelte.
    Die beiden Polizisten schrieben ihr Protokoll.
    Frau Meyerdierks jammerte, schimpfte, stöhnte.
    Katja gab sich desinteressiert.
    Die Beamten zogen ab, Corzelius folgte ihnen, Frau Meyerdierks lud Katja zu einer Tasse Kaffee ein.
    „Nett weer dat ja nich…“
    Ihr Mitleid war so groß, daß sie Katja und sich einen doppelten Korn spendierte.
    „Wenn mien Fööt ok al freren mööt – “ sie deutete auf ihre nackten Füße, die in Sandalen steckten – „so bruukt de Hals doch nich dösten, sä de Super.“
    Es wurde sechs Uhr, die ersten Gäste wuschen sich schon, und sie saßen noch immer am Kaffeetisch. Frau Meyerdierks war verständnisvoll und mütterlich, fühlte sich in Anbetracht des Überfalls auf ihren Bruder doppelt getroffen und entschuldigte sich vielmals dafür, daß Katja ausgerechnet in ihrer gutbürgerlichen Pension so was zustoßen mußte.
    „Vielleicht wollte man mich damit treffen“, sagte sie, „wo doch schon mein Bruder… Die denken alle, Sie… Aber…“
    Sie konnte nicht ausreden, weil das Telefon schrillte. Sie ging auf die Diele, nahm den Hörer hoch, meldete sich und lauschte. „Für Sie, Fräulein Marciniak. Ein Herr.“
    Nanu? Kuschka, Corzelius, Lemmermann, Biebusch…? Um diese Zeit? Sie ging zu Frau Meyerdierks hinaus und ließ sich den Hörer geben.
    Eine männliche Stimme; dumpf, verzerrt. Offensichtlich ein Tonband, mit 9,5

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