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Stoer die feinen Leute nicht

Titel: Stoer die feinen Leute nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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katakombenähnliche Gänge. Weiß gekalkte Wände, Rohre unter den Decken, Umkleidekabinen, Geräteräume, Toiletten. Ihre Schritte hallten dumpf. Irgendwo schlug ein Fenster zu. Überall nur funzelige Lampen, die Luft war voller Staub und reichlich abgestanden.
    Immer noch kein Geschäftszimmer. Gingen sie im Kreis herum? Aber Wätjen mußte doch wissen, wo… Er roch nach Schweiß wie eine ganze Fußballmannschaft. Die Stahlspitze des Speers schurrte über den Zementboden.
    Plötzlich schlug ihr das Herz bis zum Hals hinauf. Angst überfiel sie von einer Sekunde zur andern. Wenn nun… Mein Gott… Dieses Labyrinth – keiner würde… Nur raus hier!
    Sie blieb stehen, lehnte sich gegen die rissige Wand, wollte Wätjen vorbeilassen.
    „Unheimlich hier, was?“ Wätjen grinste. „Meine Tochter kommt auch nicht gern her.“
    „Ja…“ würgte Katja hervor und fing sich wieder, als sie das Wort »Tochter« hörte, als könnte der Vater einer Tochter nicht auch… Quatsch! „Ich kenn das“, sagte sie schnell. „Ein Freund von mir spielt in Berlin bei Tennis Borussia…“
    „Dat haar mi segt warn mußt!“
    „Wie bitte?“
    „Das hätten Sie mir gleich sagen sollen – so ‘ne Fußballerbraut muß man doch ganz anders behandeln!“
    „Braut nicht gerade…“
    „Na, na!“
    Diese Wendung des Gesprächs behagte ihr gar nicht. Sie wurde resolut: „Wo ist denn nun das Geschäftszimmer?“
    „Gleich um die Ecke…“
    … um die Ecke bringen. Sie schwitzte. Verdammte Assoziationen!
    Wätjen stieß eine grüngestrichene Holztür auf und knipste eine Neonröhre an. „Hier… Bitte!“
    Ein fensterloser, gewaltig hoher Büroraum. Ein Schreibtisch, ein altmodisch-schwarzes Telefon, ein paar Rolladenschränke; Regale mit Vereinszeitungen, weiß-roten Fahnen, eine gläserne Vitrine mit silbernen Pokalen und bronzenen Figuren; an den freien Flächen Plakate und Wimpel.
    Wätjen schloß den Schreibtisch auf und holte einen Karteikasten hervor. „Unsere Mitglieder – hier, bitte.“
    „Sehr nett… Wie viele sind es denn?“
    Wätjen dachte einen Augenblick nach. „482 – Stand 1. Juli 1972. Wir haben ja acht Abteilungen: Fußball, Handball, Tischtennis, Basketball, Boxen, Kegeln, Leichtathletik und Kunstturnen.“ Es klang stolz. „Hier, alphabetisch geordnet – ein bunter Reiter für jede Abteilung. Blau für…“
    Katja rechnete. Sie sollte etwa zwanzig Mitglieder für Intensivinterviews über das Vereinsleben auswählen, per Zufall natürlich, also mußte sie jeden 25. herauspicken.
    „Sagen Sie mir mal eine Zahl zwischen eins und fünfundzwanzig“, bat sie Wätjen.
    „Eine Zahl zwischen…?“ Er begriff nicht. Wie sollte er auch? Es war zuviel verlangt. Sie erklärte ihm, warum er es tun sollte. „Vier“, sagte er. „Viel Spaß; ich geh mich mal umziehen.“
    Er ließ die Tür hinter sich ins Schloß fallen. Katja atmete auf. Sie hörte Biebuschs Stimme: Worum geht es uns beim TSV Bramme? Erstens um die Entstehungsgeschichte des Vereins, zweitens um sein Rekrutierungsfeld, drittens um die Teilnahme der Bevölkerung am Vereinsleben, viertens um die integrierende Funktion des Vereins, fünftens um den Verein als Übungsfeld für sozial-aktive Persönlichkeiten…
    Das Telefon schrillte.
    „Herr Wätjen!“ schrie sie.
    Wätjen meldete sich nicht.
    Komisch… Sie nahm den Hörer ab. „Ja, bitte…“
    Nichts. Nur ein Rauschen; aber aufgelegt hatte der Teilnehmer am anderen Ende der Leitung noch nicht, sie hörte ihn atmen.
    „Hallo? Hier ist der TSV Bramme… Mit wem spreche ich?“
    Aufgelegt!
    Kopfschüttelnd begann sie, die Namen aus der Kartei zu schreiben.
    4: Frauke Ahrbecker, Ammerländer Straße 4
    29: Annerose Badenhoop, Twistringer Straße 48 a
    54: Hein-Dirk Deterding, Hinrich-Kopf-Allee 124
    Sie schrieb immer schneller; es war unheimlich hier… Eine Falle? Fast glitt ihr der Kugelschreiber aus der verschwitzten Hand. Idiotisch von ihr, allein hierherzukommen!
    79: Karl-Heinz Eilts, Brammermoorer Heerstraße 74 – nein, 47…
    Es ging nicht mehr; sie verschrieb sich andauernd. Es flimmerte ihr vor den Augen. 79 plus 5… 114. Nein… Doch… Quatsch – 104… Sie addierte es auf einem Zeitungsrand: 104.
    Sie konnte nicht mehr. Sollte Kuschka das machen. Nur raus hier! Die Wände stürzten auf sie zu… Sie hastete zur Tür, riß sie auf, rannte auf den Gang hinaus. Wenn sie nun Wätjen… Wie sollte sie ihm das erklären? Und Biebusch erst?
    Sie hetzte durch das Labyrinth, erwischte

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