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Stoer die feinen Leute nicht

Titel: Stoer die feinen Leute nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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bist doch unehelich – oder?“
    Katja war unwillkürlich eingeschüchtert. „Ja…“
    „Na also!“ Bernharda nickte. „Hast du deinen Vater mal gesehen?“
    Was will die bloß? Katja fühlte sich unbehaglich und wäre am liebsten gegangen. Aber dann wäre der Kontakt abgerissen, und Biebusch würde ihr die Hölle heiß machen.
    „Was ist nun: haben Sie ihn gesehen oder nicht?“
    Der mehrfache Wechsel zwischen Du und Sie trug noch zu Katjas Verwirrung bei. „Meinen Vater…?“ wiederholte sie. „Nein, das nicht. Aber warum interessiert Sie das?“
    „Abwarten!“ dröhnte Bernharda. „Ich…“ Das Telefon schrillte. Sie riß den Hörer hoch, rief „Keine Zeit, später!“ und knallte ihn wieder auf die Gabel. „Wie heißt er, wo wohnt er – weißt du’s?“
    „Harry Bruns oder Härrie Bruns, wie Sie wollen“, antwortete Katja mit dünner, unwillkürlich leiernder Stimme. „Soweit ich weiß, wohnt er in der Nähe von New York – Nyack heißt die Stadt.“
    „Und wer hat dir erzählt, daß das dein Vater ist?“
    „Wieso…?“
    „Jetzt frage ich erst mal!“
    Katjas Widerspruchsgeist regte sich. „Wie kommen Sie denn dazu?“
    Bernharda schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Ich war die beste Freundin Ihrer Mutter – und es ist sehr wichtig für Sie!“
    Katja schwieg. Gehen konnte sie immer noch.
    „Wer hat’s dir also erzählt?“ wiederholte Bernharda ihre Frage.
    „Mutti… Mutter, als sie noch lebte.“
    „Sie ist gestorben, als du knapp fünf warst?“
    Katja nickte.
    „Und deine Großmutter?“
    „Die auch. Vorigen Monat.“
    Bernharda stand auf, trat ans Fenster, sah auf die träge Bramme hinunter. „Sie haben dich angelogen, mein Kind!“
    „Angelogen? Wieso?“
    „Weil die Wahrheit zu schrecklich ist…“
    Katja ärgerte sich über diese polternde, herrschsüchtige Frau, wurde sarkastisch. „Waren Sie’s vielleicht?“
    Bernharda lief rot an, stand dicht vor der Explosion. „So was Unverschämtes – wie deine Mutter!“ Aber sie leitete den Zorn, den sie Katja gegenüber entwickelt hatte, auf ihre Sekretärin um, riß die Tür auf und schnauzte nach draußen: „Machen Sie doch endlich Ihr Kofferradio aus – wir sind hier nicht im Jazzschuppen!“
    Katja konzentrierte sich auf eins der graphisch unterentwickelten Plakate an den Wänden.
     
    SYNAGOGALE GESÄNGE MIT ERLÄUTERUNGEN
    Uri Rosentreter, London
    Mittwoch, den 14. Juni 1972, 20 Uhr,
    Matthäi-Kirche
    Teilnahme frei
     
    „Da werd ich mal hingehen“, sagte sie zu Bernharda und wollte es als versöhnliche Geste verstanden wissen. „Meine Freundin Esther nämlich…“
    „Kostet ja nichts, geh man ruhig!“ sagte Bernharda. „So – weiter im Text!“ Sie ließ sich wieder in ihren unförmigen Drehsessel fallen. „Dieser Bruns ist nicht dein Vater; da hat man dir einen Bären aufgebunden, mein Kind. Die hatten alle Angst, dir die Wahrheit zu sagen.“
    Katja fröstelte es trotz der Hitze in Bernhardas Zimmer. Das war dasselbe Gruselgefühl, das sie als Kind immer verspürt hatte, wenn ihr Großmutter von dem buckligen Fährmann an der Oder erzählte (dumpfes „Hol über!“ im Nebel) und von den Wasserleichen, die er regelmäßig fand.
    „Ich weiß nicht, was…“
    „Unterbrich mich jetzt nicht!“ herrschte Bernharda sie an. „Es ist eine häßliche Geschichte… Die arme Marianne!“ Sie kramte eine Zigarette aus einer unaufgeräumten Schublade und steckte sie mit einem dieser zehn Zentimeter langen Streichhölzer an, die es in den Andenkengeschäften zu kaufen gab. „Rauchst du?“
    „Nein, danke.“
    Bernharda nickte befriedigt; dann begann sie zu erzählen. Katja hörte schweigend zu.
    „Juli 1949, ein Sonnabend… Wir waren tanzen, deine Mutter und ich, hinten im Stadtpark-Café am Schwarzen See. Da waren wir öfter. Es war auch immer ganz nett… Doch diesmal gab’s Streit. Marianne war in einen Primaner verknallt, dessen Vater irgendein hohes Tier bei den Engländern war, was weiß ich… Horst hieß der Knabe. Der wollte aber lieber mit mir über Thomas Mann und Hermann Hesse reden als mit deiner Mutter tanzen. Nun, ein Wort ergab das andere, und sie rannte schließlich aus dem Saal. Horst hinterher. Er suchte sie noch ein Weilchen im Park, fand sie aber nirgends. An der Haltestelle, vielleicht hundert Meter vom Café entfernt, war gerade ein Bus abgefahren, den mußte sie noch geschafft haben. Zehn nach zehn war es erst. Horst kam jedenfalls in den Saal zurück, und wir hatten

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