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Stoer die feinen Leute nicht

Titel: Stoer die feinen Leute nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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eine Tür, die verriegelt war, hörte von irgendwo her eine scharfe Stimme:
    „Halt!“
    Weiter, nur weiter! Mein Gott, wo ist denn hier der Ausgang? Warum hab ich mich bloß auf diesen Scheißdreck hier eingelassen?
    Der Geräteraum; da waren sie vorhin vorbeigekommen…
    Sie wußte nicht mehr, wie sie ihren Wagen erreicht hatte. Sie raste in die Stadt hinein, wo Menschen waren, kam erst wieder zu sich, als sie das backsteinrote Postamt vor sich hatte. Sie entdeckte einen freien Parkplatz, hielt, stieg aus, schloß den Wagen ab, steckte zwei Groschen in die Parkuhr, lief zum Bahnhof hinüber, setzte sich in den Wartesaal, bestellte sich einen doppelten Cognac, stürzte ihn hinunter, bestellte eine Sinalco, trank und schluckte eine Beruhigungstablette. Zum Arzt? Der konnte auch nicht mehr tun; das mußte sie selber schaffen.
    Langsam ebbte ihre Erregung ab. So was Blödes. Ich mach mich doch bloß selber verrückt.
    Aber das war wohl eingeplant…
    Biebusch würde Krach machen, weil sie einfach weggelaufen war. Der Armleuchter. Sollte er doch selber hingehen!
    Und die Diplomarbeit…?
    Man kann auch ohne Diplom leben. Bloß schlechter… Quatsch. So wie du aussiehst, du kriegst doch jeden Mann… Sie strich ihr schulterlanges Haar zurück, sah auf ihre Hüften, ihre Knie. Ja, von einer Abhängigkeit in die andere…
    Also: bei Wätjen war ihr plötzlich schlecht geworden – Klaustrophobie, sie hatte ins Freie laufen müssen. Vielleicht konnte sie wieder etwas Terrain gewinnen, wenn sie bei dieser Bernharda Behrens anrief und sie zur Mitarbeit überredete. Es war die einzige Frau auf ihrer Liste.
    Sie zahlte, ging in eine der Telefonzellen vor dem Bahnhofsgebäude, wählte die Nummer der Volkshochschule Bramme und verlangte Frau Behrens.
    „Ich verbinde…“ Ein Knacken; mehrere Sekunden vergingen.
    „Behrens…?“
    „Ich rufe an im Auftrag der Forschungsgruppe Stadtsoziologie von Professor Biebusch. Wir führen hier eine stadtsoziologische Forschung durch. Und da Sie als eine der…“
    „Wie heißen Sie denn?“ bellte es zurück.
    „Katja Marciniak, Pardon!“
    „Von Pardon sind Sie? Ich denke…“
    „Nein, ich… Ich wollte mich entschuldigen, weil ich vergessen hatte, meinen Namen…“
    „Wie heißen Sie denn?“
    „Katja Marciniak.“
    Pause. Stille.
    „Hallo?“
    Ein Räuspern. „Ihre Mutter hieß auch Marciniak?“
    „Ja.“
    „Geboren am, warten Sie… Im Februar 1930. Am… am… 3. Februar 1930?“
    „Ja…“ Katja kämpfte mit einem Schwindelgefühl.
    „In Thorn?“
    „In Thorn, ja…“
    „Mensch, so was – Mariannes Tochter! Hör mal, wir müssen uns unbedingt sehen, solange du noch in Bramme bist. Was machst du eigentlich hier…? Die Untersuchung, ach ja!“
    „Ich wollte gerade…“
    „Natürlich, Kindchen! Weißt du, wo die VauHa ist?“
    „In der Färbergasse hinten?“
    „Ganz recht. Ich warte auf dich… Mein Gott – Mariannes Tochter! Da bin ich aber gespannt.“
    „Kannten Sie denn meine Mutter?“
    „Und ob ich sie gekannt habe: meine beste Freundin… Bis gleich also!“
    „Ja…“
    Katja verließ die Zelle, schloß die Augen, um das immer wiederkehrende Schwindelgefühl zu bekämpfen, setzte sich auf eine Bank, sah den herumspazierenden Tauben zu, wartete, bis ihr besser wurde. Nach fünf Minuten ging es wieder.
    Fünfzehn Minuten später stand sie Bernharda Behrens gegenüber.
    Bernharda war das, was man in Berlin einen Dragoner nannte: Schuhgröße 43, Makostrümpfe, Kostüm, Herrenschnitt und Hornbrille; kräftiges Gebiß und gewaltige Nase; schwarzes Bärtchen auf der Oberlippe und Trümmerfrauenhände; wenn sie ging, knarrten die Dielen, und wenn sie redete, vibrierten die Fensterscheiben.
    „Nehmen Sie sich einen Stuhl – setzen Sie sich.“
    Katja tat es mit dem bangen Gefühl einer zehnjährigen Schülerin, die sich wegen einer gefälschten Unterschrift auf dem Entschuldigungszettel vor der allmächtigen Frau Direktor verantworten mußte.
    Was nun folgte, wurde von ihr weniger als Gespräch wahrgenommen, sondern mehr als Verhör und Befehlsempfang.
    Bernharda Behrens nahm hinter ihrem aktenübersäten Schreibtisch Platz und fixierte sie. Hinter den dicken Brillengläsern hatten ihre graugrünen Augen die Größe von Tischtennisbällen. Na, nicht ganz. Während sie sprach, riß sie ständig kleine Streifen von einer Tesafilmrolle herunter, zerknüllte sie zu klebrigen Kugeln und warf sie voller Abscheu in den neben ihr stehenden Papierkorb.
    „Du

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