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Stoer die feinen Leute nicht

Titel: Stoer die feinen Leute nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Trey, Chefredakteur beim Tageblatt und wahrscheinlich nächster Bürgermeister von Bramme. Ein exzellenter Redner. Der Hagere ist Günther Buth – Buth KG und so. Dem gehört halb Bramme, einschließlich des Wespennest hier… Der heimliche Herrscher von Bramme.“
    Für die beiden war in der Nähe der Tür, direkt unter dem überdimensionalen Wespennest, ein Tisch reserviert, und da der Kellner bei ihnen das Geschirr abzuräumen begann, mußte Biebusch schnell das Thema wechseln. Er grüßte mit einem freundlichen Lächeln und einem kurzen Kopfnicken zu Trey und Buth hinüber und erging sich dann in subtilen Betrachtungen über die optimale Möglichkeit, Statusdifferenzierungen empirisch zu ermitteln. „Ich halte eigentlich recht viel von der Selbsteinschätzung der Leute. Vielleicht sollten wir ihnen einfach die Prestigeskala von Moore und Kleining vorlegen und sie bitten, sich selbst einzuordnen.“
    Katja wollte auch einmal etwas Kluges sagen. „Ich bin ja mehr für den multiplen Statusindex von Scheuch, denn… denn…“ Sie stockte. Einmal fiel ihr so plötzlich keine überzeugende Begründung mehr ein und zum andern irritierte es sie, daß die beiden Herren unter dem Wespennest immer wieder mehr oder minder verstohlen zu ihr herübersahen und dann miteinander tuschelten. Es schien ihr auch, als hätte Biebusch den beiden zugezwinkert. Sie schob ihr Kleid etwas die Schenkel hinunter.
    „Wir hätten gern gezahlt“, sagte Biebusch, während er den letzten Rest seines Vanilleeises aus der silbernen Schale löffelte.
    „Zusammen?“ fragte der Ober.
    Katja vermied es, Biebusch anzusehen.
    „Nein, jeder extra…“
    Katja stand auf und strich ihr Kleid glatt. Biebusch schob ihren Stuhl unter den Tisch und flüsterte ihr zu: „Wir müssen guten Tag sagen… Ich kenne Trey und Buth vom Tennisclub. Da hab ich gestern gespielt… Kontakte! Ich werde Sie mal vorstellen.“
    „Wenn’s sein muß.“ Katja haßte das Händeschütteln, das ganze alberne Zeremoniell.
    Sie gingen auf den Tisch zu, an dem die beiden Männer saßen. Der Ober hatte ihnen gerade kleine Tassen gebracht, aus denen sie ihre Suppe löffelten, Schildkrötensuppe wahrscheinlich, Lady Curzon. Sie schienen in ihre Gedanken vertieft; sie schwiegen und vermieden es, nach links oder rechts zu sehen.
    Es waren nur zehn, zwölf Meter bis zu ihrem Tisch, aber Katja hatte das Gefühl, über einen endlos langen roten Teppich zu schreiten, der ihretwegen ausgerollt worden war. Honoratioren. Herren der Stadt. Oberschicht. Elite. Macht. Geld… Und sie? Klein, winzig, bedeutungslos. Sie war intelligent, ja; sie war hübsch, ja – aber das ließ sich nur in Macht, Geld, Prestige und Unabhängigkeit umsetzen, wenn sie beides verkaufte… Da saßen zwei potentielle Käufer.
    Über den beiden Männern das Wespennest. Überdimensioniert. Die Waben geschickt geformt aus grauem Plastikmaterial, an dünnen Fäden aufgehängt die Wespen. Ein ganzer Schwarm. Irgendwie bedrohlich.
    Ein endloser Weg. Ihre Blicke erfaßten den Raum, registrierten Schwerter, Ritterrüstungen, Hellebarden, Zinkkannen, alte Flinten und Wappen an den Wänden; ein plötzliches Schwindelgefühl ließ sie ein wenig schwanken.
    „Entschuldigen Sie, meine Herren“, sagte Biebusch mit seiner sonoren Stimme. „Darf ich Sie mit meiner Mitarbeiterin bekannt machen…“
    Dr. Trey sah von seiner Tasse hoch, musterte Biebusch, streifte Katja mit einem kurzen, fast ängstlichen Blick und erhob sich dann schwerfällig, indem er sich mit beiden Händen von der Tischplatte hochdrückte.
    Katja schaute in ein rosiges Babygesicht. Leicht geäderte Bäckchen, vielleicht mal bei Frost Motorrad gefahren, ein Schmollmund, nuckelbereit. Irgendwie farblose dunkelbraune Haare, gescheitelt, braver Beamtenschnitt, dicker Hals mit einer Unzahl kleiner Pickel, zu enger Hemdkragen wahrscheinlich. Schweiß auf der Stirn. Eine mächtige Hornbrille, dahinter blaue Augen.
    „Herr Dr. Trey“, sagte Biebusch. „Fräulein Marciniak.“
    Trey schluckte. „Freut mich, angenehm…“ Seine Hand war schlaff und feucht, und Katja hatte das Gefühl, einen toten Fisch angefaßt zu haben. Er lächelte, aber es sah mühsam aus und ließ ihn noch trauriger erscheinen.
    Katja sah, daß er einen Ring trug. Ein verheirateter Mann, ein Journalist, und dann so verwirrt, wenn er ein halbwegs hübsches Mädchen sah? Was er wohl dachte? Offenbar war er vollkommen weg… Ein bißchen verklemmt, aber nett. Schon möglich, daß er die

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