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Stoer die feinen Leute nicht

Titel: Stoer die feinen Leute nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Nachnahmesendung.
    Nun ging es auf der anderen Straßenseite mit den Central-Lichtspielen weiter. Die hatten zwar einen Hausbriefkasten vorn an der Straße, aber das nutzte ihm wenig, da er ein Einschreiben zu überbringen hatte. Er fluchte leise. Dieser zusätzliche Weg schmeckte ihm gar nicht. Das war ein halber Volksmarsch bis zu deren Büro.
    Er ging durch einen hohen Flur, dessen Wände mit bunten Schaukästen bedeckt waren. Hier entlang strömten die Besucher nach Schluß der Vorstellung ins Freie und sollten sich neuen Appetit holen. Magerkort knipste das Licht an, um sich die Plakate anzusehen. Alles Sex-Filme. Ganz hübsche Puppen. Hm… weiter!
    Er überquerte einen schmalen Hof, in den kaum Licht von oben hineinfiel, und steuerte auf das Portal zu, über dem in altmodischen Buchstaben BUREAU stand. Magerkort wußte, daß er einen endlosen Gang hinuntergehen mußte, an dessen Ende eine eiserne Wendeltreppe nach oben führte. Diesmal verzichtete er darauf, die Deckenbeleuchtung einzuschalten; das bißchen Licht, das durch die staubbedeckten Scheiben in der Tür fiel, reichte ihm. Er kannte ja den Weg.
    Konnte er es riskieren, sich neue Fische zu kaufen oder nicht? Dieser smaragdgrüne Schleierkampffisch… Vielleicht konnte er am Sonntag in der Pension was reparieren, das brachte auch wieder ein paar Mark. Fadenfische waren auch ganz schön, besonders die blau- und rotgestreiften Zwergfaden…
    Das farbensatte Bild zersprang wie eine gläserne Vase unter einem Hammerschlag.
    Neben ihm eine Nische. Eine dunkle Gestalt löste sich. Feste Hände packten ihn, wirbelten ihn herum. Ein Unterarm preßte seine Kehle zusammen. Ein Wattebausch fuhr ihm ins Gesicht. Süßlich, eklig… Chloroform. Er bäumte sich auf, er schlug um sich, er trat nach hinten, er wollte sich aus dem Würgegriff herauswinden – vergeblich.
    Plötzlich wog er mehrere Zentner, schwamm in dickem Sirup, zappelte noch, zuckte und sank in sich zusammen. Ein stechender Schmerz noch an der Schulter, dann fiel er und fiel…

 
    3
     
     
     
    „Fräulein Marciniak – acht Uhr! Sie hatten geweckt werden wollen…“ Katja fuhr hoch, tauchte aus dämmerigen Tiefen langsam nach oben, wußte nicht sogleich, wo sie war… Dann begriff sie: Bramme. Pension. Knochenhauergasse. Aus der Wechselsprechanlage die Geisterstimme der Frau Meyerdierks. Herrliches Deutsch! Das hatte sie sogar im Halbschlaf mitbekommen.
    „Fräulein Marciniak – acht Uhr!“
    Widerliches Gequake. Katja schrie: „Ja, danke!“ Ein Knacken – Ende der Durchsage. Der allmorgendliche Griff zum Kofferradio. Diesmal nicht RIAS oder SFB, sondern NDR, II. Programm. – Hör mal ‘n beten to! Danach Popmusik und Schlager. Eine Dame jubelte aus voller Kehle: Was ist Gold, was ist Geld? Wenn ein Mensch zu dir hält, dann hast du das Glück dieser Welt …
    Katja starrte gegen die stuckverzierte Decke. Eine dickliche Spinne seilte sich zu dem staubigen Heizkörper ab. Eine Fliege umkreiste den fleckigen Lampenschirm. Über ihr auf der bräunlichen Tapete die Reste der Mücke, die sie gestern vor dem Einschlafen erschlagen hatte.
    Bramme.
    Wozu das alles? Diese nutzlose Studie, dieses sinnlose Leben, dieses blödsinnige Hoffen auf ein besseres Morgen. Jacques Monod hatte recht – der Mensch war nichts weiter als ein Betriebsunfall der Natur, verloren im gleichgültigen Universum.
    Sie registrierte ihren depressiven Schub mit Gelassenheit. Nach dem gestrigen Abend war er zu erwarten gewesen. Allein im Kino und ein lahmer Film, allein am Imbißstand und zwei lauwarme Curry-Würste, allein vor den Schaufenstern der Bahnhofsstraße und nichts weiter zu sehen als Langeweile, allein im fremden Zimmer und eine schlecht gekühlte Flasche Bier zum Trinken.
    Damit war der Umschlagspunkt erreicht; sie fand sich verloren genug, um sich interessant zu finden. Hätte sie einen Roman gelesen mit dieser Katja Marciniak als Hauptfigur, sie hätte sich mit ihr identifiziert und sie bewundert; sie hätte so sein wollen wie sie.
    Sie sprang aus dem Bett, zog den Bademantel an, schloß die Tür auf, ging so leise wie möglich den Flur hinunter und drehte den Schalter neben der Toilettentür herum.
    „Besetzt!“
    Das mußte der aufgeblasene Abteilungsleiter aus dem Kaufhaus sein, von dem Frau Meyerdierks so schwärmte. Sein Zigarrenmief drang durch alle Ritzen. Und nicht nur der. Sie ließ ihn im Dunkeln sitzen, obwohl er heftig protestierte. Fast wäre sie über Alfons Mümmel gestolpert. Sie griff sich

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