Stoerfall in Reaktor 1
gleich noch von Hannah zu erzählen. Dass sie jetzt mit dabei ist. Dass sie sich schon ins interne Telefonnetz des AKW s eingehackt hat und gerade versucht, auch an die geschützten Dateien des Werks ranzukommen. Und dass sie damit echt eine Chance haben, um endlich brauchbare Informationen zu bekommen.
Außerdem will er ihm sagen: War ja deine Idee, dass ich mit Hannah rede. Habe ich gemacht, Alter. Und das hat’s echt gebracht. Sie ist verdammt gut, Mann, glaub mir. So was in der Art. Ohne zu verraten, dass da noch mehr ist mit ihm und Hannah. Lieber nur kleine Häp pc hen für Jannik, nicht gleich das ganze Buffet. Das eine hat ja nichts mit dem anderen zu tun, das kann er ihm später immer noch erzählen. Und es ist ja auch gar nicht sicher, ob überhaupt … Doch, eigentlich ist es sicher. Und es ist verdammt gut so! Wahrscheinlich kriegt es Jannik sowieso mit. Früher oder später. Vielleicht sagt er es ihm ja auch noch. Aber nicht heute …
Lukas grinst, als er an Janniks Tür klopft und dann die Klinke drückt. Er ist jetzt absolut überzeugt davon, Jannik vor dem Fernseher zu finden. Er kann den Sport-Kommentator durch die Tür hören und die Pfiffe und das Beifallsgebrüll bei irgendeinem geglückten Spielzug. Der Fernseher läuft auch wirklich auf voller Lautstärke, nur Jannik ist nicht da. Eine geöffnete Dose Cola steht neben dem Bett, und ein letztes Stück Pizza liegt in dem Karton vom Take-away am Marktplatz, bei dem sie sich alle mehr oder weniger regelmäßig mit Fastfood versorgen. Auch Janniks Rucksack ist da, ohne den er normalerweise keinen Meter zurücklegt. Er liegt umgestürzt auf dem Boden, die Schlüssel und sein Handy daneben. Als wäre Jannik in großer Hektik aufgebrochen, ohne den Fernseher auszuschalten oder sonst irgendwas. Und ohne das Handy mitzunehmen? Oder wenigstens die Schlüssel?
Gleich darauf hat Lukas unwillkürlich eine Szene vor Augen, wie aus einem schlechten Film: Koschinski und Müller kommen in Janniks Zimmer gestürmt, reißen ihn vom Bett hoch, drehen ihm den Arm auf den Rücken und zwingen ihn mit vorgehaltener Waffe die Treppe runter und zur Hintertür raus, über den Hof in den Audi, der da mit laufendem Motor steht. Und dann mit quietschenden Reifen aus der Einfahrt und weg.
Das ist albern, denkt Lukas im nächsten Moment, so was passiert nicht – nicht in Wendburg.
Er guckt noch kurz ins Badezimmer, und dann noch mal unten ins Wohnzimmer, aber es bleibt dabei, das Haus ist leer. In der Küche sieht Lukas die Zeitung, die auf dem Tisch liegt, die Seite mit den Veranstaltungshinweisen obenauf. Kino. Theater. Konzerte. Janniks Eltern sind also mit ziemlicher Sicherheit in der Stadt, aber wo ist Jannik?
Als Lukas durch die Hintertür wieder auf den Hof tritt, hat er ein verdammt ungutes Gefühl in der Magengegend. Irgendetwas muss passiert sein, da ist er sich sicher.
Er blickt auf seine Uhr. Halb neun. Die Fußballübertragung hat gerade erst angefangen. Wahrscheinlich ein guter Moment, um unbemerkt zu Hannahs Dachzimmer raufzukommen. Das war eigentlich auch sein Plan. Kurz bei Jannik vorbei und dann gleich weiter zu Hannah. Zu Hause hat er gesagt, dass er sich mit ein paar Leuten aus der Schule treffen will, um über irgendeinem Referat zu brüten und zu besprechen, wer was macht. Es hat auch keine Nachfragen von seinem Vater oder seiner Mutter gegeben, nur das Übliche: »Komm nicht zu spät zurück! Du weißt, dass du morgen wieder früh rausmusst.«
Zumindest sein Vater wird jetzt auch vorm Fernseher hocken, und seine Mutter wird die Sachen für ihre Kolleginnen zusammensuchen, damit die ihren Unterricht übernehmen können, wenn sie wegen Karlottas Chemo ausfällt.
Lukas’ Blick fällt auf den Schuppen, in dem das Moped untergestellt ist. Die Kette baumelt lose an der Tür, das Vorhängeschloss ist offen. Lukas tritt näher. Er weiß nicht, womit er rechnet, als er die Tür aufzieht und in das Halbdunkel späht. Die Luft im Schuppen ist stickig von der Hitze und Lukas nimmt undeutlich den Geruch von Benzin wahr. Das Moped steht noch genauso da, wie sie es vorgestern Nacht zurückgelassen haben. Mit Janniks Helm am Lenker und den Handschuhen auf dem Sattel. Lukas wirft einen Blick auf das Kennzeichen und fährt dann prüfend mit den Fingern über das Blech. Jannik hat ganze Arbeit geleistet, da ist nicht der kleinste Rest Klebestreifen mehr zu spüren. Jetzt sieht er auch die Flasche mit Spiritus, die auf der Werkbank steht, mit einem
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