Stoerfall in Reaktor 1
Krankenhaus überwiesen hatte.
»Ich bin die behandelnde Ärztin der an Leukämie erkrankten Kinder hier im Ort«, versucht sie, sich Gehör zu verschaffen, »und ich möchte gern auch noch etwas sagen!« Sie hat hektische rote Flecken im Gesicht, die sich von den Wangen bis zum Hals hinunterziehen, und ihre Stimme zittert vor Anspannung. Sie ist eindeutig irritiert, als Dr. Schröder und der Bürgermeister sie einfach ignorieren und an ihr vorbei zu ihren Autos wollen.
Es ist zu spät, denkt Lukas, sie hätte eher was sagen müssen, jetzt hört ihr sowieso niemand mehr zu. Die meisten sind schon dabei zu gehen, die Show ist vorbei. Das Mittagessen wartet. Nur die Mitglieder der Selbsthilfegruppe stehen noch zusammen und besprechen etwas miteinander.
»Einen Moment, ich rede mit Ihnen!« Die Stimme der Ärztin überschlägt sich. Sie hält Dr. Schröder am Arm fest. »Was Sie da eben gesagt haben, das stimmt so nicht! Sie können …«
Weiter kommt sie nicht. Plötzlich sind Koschinski und Müller da und schieben sie höflich, aber bestimmt zur Seite. Der Redakteur ist aufmerksam geworden und will ihr offensichtlich ein paar Fragen stellen. Koschinski zeigt ihm einen Ausweis und schüttelt den Kopf.
»Mami!«, ruft Karlotta im gleichen Moment und springt aus dem Rollstuhl auf, um zu ihrer Mutter zu rennen. »Ich hab dich die ganze Zeit gesehen! Wir sind schon die ganze Zeit da, ich und Lukas!«
Lukas sieht, wie die Ärztin von Koschinski und Müller zu ihrem Auto begleitet wird, das sie vorne an der Straße geparkt hat. Der Redakteur starrt verblüfft hinter ihnen her, dann zuckt er mit der Schulter und beeilt sich, noch ein paar Stellungnahmen von den Leuten aus der Selbsthilfegruppe zu bekommen, die gerade dabei sind, das Foto von Leonie und die Blumen und Kerzen am Straßenrand neu zu arrangieren.
Lukas folgt seiner Schwester, der Blick, mit dem ihn seine Mutter begrüßt, ist eindeutig: Was sollte das? Warum musstest du ausgerechnet deine Schwester hier mit herschleppen?
Karlotta klammert sich an ihre Mutter, als hätte sie sie seit Ewigkeiten nicht gesehen.
»He, ich glaube, es war schon okay«, sagt Lukas, mit dem Kopf auf Karlotta deutend. »Und, eure Aktion?«, fragt er dann mit einem Blick zu den Eltern, die noch mit dem Redakteur reden, der ihre Antworten eifrig auf einem Schreibblock notiert.
»Ich weiß nicht«, erwidert seine Mutter, während sie Karlotta über die Haare streicht. »Im Film ist das immer ganz einfach, da funktioniert das, da lässt sich niemand einwickeln von irgendwelchem Schmus. Das ist doch eine Farce mit der Spende für das Krankenhaus, das diente doch nur dazu, um alle hier einzulullen! Du siehst ja selber!«, setzt sie dann hinzu.
»Schon klar«, meint Lukas. »Die alte Nummer: Gib ihnen einen Ochsen und ordentlich Bier und schon haben sie vergessen, dass sie dir eben noch die Burg abfackeln wollten.« Seine Mutter blickt ihn fragend an. »Vergiss es«, sagt Lukas. »War nur so was, worüber ich neulich nachgedacht habe. Aber eure Aktion war gut, sei nicht frustriert, vielleicht bringt’s ja doch was.«
Seine Mutter verdreht die Augen, ohne etwas zu sagen.
»Was für Ochsen?«, mischt sich Karlotta ein. »Redet ihr von irgendwelchen Kühen? Echt, ihr redet manchmal genauso komisches Zeug wie der Bürgermeister und der andere vorhin, voll langweilig!« Sie verdreht die Augen. »Habt ihr eigentlich meine Ärztin gesehen?«, plappert sie gleich darauf weiter. »Sie war auch da! Aber sie hat mich nicht gesehen! Und jetzt ist sie schon wieder weg.«
»Ich war überrascht, dass sie gekommen ist«, sagt Lukas’ Mutter zu Lukas, ohne auf Karlotta einzugehen. »Sie hat noch irgendwas sagen wollen, was vielleicht wichtig gewesen wäre, aber …«
»Ich hab’s mitgekriegt«, sagt Lukas und nickt.
»Die beiden Typen, das waren doch …«
Lukas nickt noch mal. »Nichts da mit Ministerium oder was sie uns erzählt haben. Sicherheitsleute vom Energiekonzern.«
»Na, das wird ja immer besser«, meint Lukas’ Mutter, ohne zu fragen, woher Lukas das inzwischen weiß.
»Nee, wird’s nicht«, beschwert sich Karlotta und verdreht wieder die Augen. »Außerdem hab ich Hunger!«
»Wir gehen gleich nach Hause«, sagt Lukas’ Mutter. »Papa wird sich ohnehin schon wundern, wo wir so lange bleiben. Und hier …« Sie zuckt mit der Schulter. »Ich sag nur schnell Tschüs zu den anderen, dann können wir.«
»Ich will mit Tschüs sagen«, sagt Karlotta, nun wieder eifrig. »Aber
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