Stoerfall in Reaktor 1
Schulkinder!«, dem Zebrastreifen vor der Schule und den roten Klinkersteinen an der Einfahrt zum Lehrerparkplatz.
Vor dem Haupteingang steht eine Gruppe von Schülern um den Hausmeister herum, der sich mit Bürste und irgendeinem stark riechenden Lösungsmittel an den Glastüren zu schaffen macht. Lukas braucht nicht lange zu überlegen, was er da versucht zu beseitigen.
»Hast du’s schon gesehen?«, begrüßt ihn Jannik. »Der ganze Ort ist voll damit. Auch bei uns auf der Mauer zum Flaschencontainer ist eins – überall, Alter! Irgendwer hat hier letzte Nacht echt die ganz große Aktion abgezogen. Was glaubst du, wer das war?«
»Ich nicht«, sagt Lukas.
»Aber ist doch cool, Mann, es bewegt sich was! Wir sind nicht die Einzigen, die …« Er bricht ab, als Alex auf sie zukommt.
»Ihr könnt ruhig weiterreden, Leute. Und, was sagt ihr dazu?« Alex deutet mit dem Kopf zum Hausmeister hinüber.
»Wir fragen uns gerade, wer dahintersteckt«, meint Jannik.
Alex grinst. »Auf jeden Fall gibt es Ärger! Die Dinger kriegen sie nicht so schnell wieder weg. Glasscheibe geht ja noch, aber nicht auf dem Zebrastreifen oder auf den Pflastersteinen. Da können sie schrubben, bis sie blöd sind. Das kostet, aber richtig!«
»Was ist denn mit deinen Fingern?«, fragt Lukas, als Alex sich einen Kaugummi in den Mund schiebt.
»Wieso? Was soll sein?« Alex starrt auf seine Hände. Der linke Daumennagel ist schwarz.
»Ist das etwa Farbe?«, fragt jetzt Jannik weiter.
»Ey, laber nicht! Ich hab die Vespa gestern neu lackiert, das ist alles. Kannst du dir angucken, wenn du mir nicht glaubst. Steht vorne am Parkplatz!«
Er versteckt seinen Daumen in einer Faust und schiebt die Hand dann auch noch in die Hosentasche.
»Pass mal lieber auf, dass das nicht noch jemand anderes sieht«, sagt Lukas. Als Alex etwas erwidern will, setzt er hinzu: »Deine Vespa, schon klar.«
»Ist so, glaubt mir!«, regt sich Alex auf. »Ich bin doch nicht blöd und mache hier irgendeinen Alleingang, für den sie mich richtig verknacken können, wenn mich einer erwischt. Ich doch nicht!«
»Lass stecken«, sagt Jannik grinsend und haut Alex auf die Schulter: »Wir sind stolz auf dich, Alter, echt coole Aktion. Aber Lukas hat recht, sieh mal lieber zu, dass du deinen Daumen schnell wieder sauber kriegst. Vielleicht fragst du mal den Hausmeister, ob er dir ein bisschen Lösungsmittel abgibt …«
»Ihr seid echt bescheuert, Leute, aber so was von!« Alex dreht sich um und geht. Die linke Hand lässt er in der Hosentasche.
»Hammer, Mann. Glaubst du echt, dass es Alex war?«, fragt Jannik.
»Keine Ahnung. Aber passen würde es. Die Dinger sind mit Schablone gesprayt. Und Alex ist Rechtshänder, richtig?«
»Also hält er die Schablone mit links«, nickt Jannik. »Hammer, sag ich doch!«
Es klingelt. Sie drängen sich mit den anderen ins Schulgebäude. Lukas blickt sich um und hält Ausschau nach Hannah. Aber sie kommt erst in der letzten Minute ins Klassenzimmer, zusammen mit dem Englischlehrer. Als sie Lukas auf dem Weg zu ihrem Platz kurz zulächelt, lehnt er sich beruhigt zurück. Hannah ist cool, alles ist in Ordnung, in sechs Stunden treffen sie sich mit dem Redakteur, dann haben sie alles getan, was ihnen möglich ist. Dann können sie nur noch abwarten, bis die Bombe hochgeht.
Der Englischlehrer nimmt ein Stück Kreide und malt ein Strahlenzeichen an die Tafel. Das allgemeine Getuschel hört sofort auf, alle blicken irritiert nach vorne.
»What is coming to your mind when you see this?«, fragt Mr. Woods. »Lukas?«
»Nuclear power – no thanks«, antwortet Lukas, ohne lange zu überlegen. »No nukes, please!«
»Somebody else?«
Hannah meldet sich. »The earth is flat, pigs can fly, and nuclear power is safe«, bringt sie den Spruch an, der auch auf ihrem T-Shirt steht.
»Right, guys. And now let’s have a look at some facts.«
Als er anfängt, die AKW s aufzuzählen, die in Großbritannien in Betrieb sind, ahnt Lukas, worauf das Ganze hinauslaufen soll. Ein kleiner Exkurs in Landeskunde, nichts weiter, denkt er. Bisher hat er Mr. Woods eigentlich eher für harmlos gehalten. Ein Engländer, der aus welchen Gründen auch immer ausgerechnet in Wendburg gelandet ist. Sein Unterricht ist okay, ein bisschen zäh manchmal, aber wenigstens bringt er ihnen ein Englisch bei, wie es tatsächlich gesprochen wird. Und bislang hat er nicht den Eindruck gemacht, als würde ihn etwas anderes interessieren als sein Fach. Aber heute scheint
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