Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
Vom Netzwerk:
Deklamation begleitete ein Zupfinstrument, dessen Klage die Beschreibung des ertrinkenden Landes selbst zum Naturereignis werden ließ.
Wie ein alles vernichtender, wie ein alles erquickender Strom entquoll die Melodie des Sängers Brust. Wie Hagelschloßen prasselten die Worte nieder. Dann wieder jubilierten sie in ewigem Frieden. Das Wasser rauscht, das Wasser schwoll. Gewaltig und fest inmitten des Untergangs steht allein die Gestalt des Künstlers.
Es folgte ein Dialog zwischen zwei Bergsteigern in schwindelnder Höhe, von denen der eine kurz unter dem Gipfel aufgeben will, während der andere ihn bedrängt, mit ihm aufwärts zu steigen. Windrichtung und -stärke, Luftdruck untermauern Argument und Gegenargument. Ein menschliches, vielmehr isobanisches Drama!
Bis dahin sah sich Grünspan in der Lage, der Handlung zu folgen. Doch was bezweckte der Konflikt um Auf- oder Absteigen? Der Absteiger kann seinen Freund nicht allein lassen, doch ist er ebensowenig fähig, ihm zu folgen. Es kommt zu beschwörendem Handgemenge. Der Aufsteiger stürzt in die eisige Tiefe. Der Absteiger, der mit der Schuld nicht leben kann, folgt ihm aus freien Stücken.
Grünspan war ratlos. Offenbar sollte das Ende symbolhaft Konkretes andeuten… Aber was? Eine Weile deutelte Grünspan daran hemm. Mehrere Möglichkeiten erschienen ihm interessant, aber nicht stichhaltig. Letztlich waren sie alle nicht stimmig.
Granoveda sprach den Abspann, die Namen der Autoren und Akteure. Lächelnd erinnerte sie die Zuschauer, in Anbetracht des zu erwartenden Temperatursturzes sich für den morgigen Tag warm zu kleiden.
»Ja, natürlich«, rief Grünspan in heftigem Selbstgespräch, »der Absturz!« Dann versank er in tiefstes Nachdenken, dessen Gegenstand seine und der Menschheit Zukunft war.
Zum ersten erwog er die Abschaffung des Wetterberichts auf der Erde. Die daraus zu gewinnende Harmonisierung erschien ihm fragwürdig. Er verwarf den Einfall. Hingegen wollte ihm die künstlerische Darstellung der Wettervorgänge in ihrer Vieldeutigkeit gefährlich vorkommen. Er sah die Gefahr von Mißverständnissen für den nichtgeschulten Zuschauer. Aber lag nicht gerade darin eine Chance?
In Sekundenschnelle eröffnete sich ihm ein imposantes Arbeitsfeld. Ideen häuften sich zu Denkgebäuden, Gedankensplitter verschmolzen sich zu einer Formel von reiner, kristallklarer Gestalt.
Bot nicht gerade durch ihre Vielfalt die Kunst der Wetterdarstellung eine Möglichkeit, mißliches Wetter als eine Erscheinungsform von gutem Wetter zu interpretieren? Heureka!
Welch eine Harmonie lag hier zu seinen Füßen, was für ein künftiges Werk! Das und nichts anderes mußte seine Aufgabe sein. Für diese Zukunft mußte er arbeiten.
Bis ins Mark erschüttert, erkannte er, was für bedeutende Gedanken durch Kontinuität befördert werden. Isobas heilsames Klima. Wie dankbar war er dem Minister. Vergessen sein Groll gegen Penser, vergessen seine Wehmut um Granoveda. Penser war widerlegt, und Granoveda eine Episode. Hinweg mit den lästigen Gedanken, nichts durfte seine Aufmerksamkeit mehr teilen.
Mit einer Spannkraft wie vor zwanzig Jahren betrat Grünspan heimatlichen Boden. Denn was kann einen Menschen, der den Zenit des Daseins überschritten hat, tiefer bewegen, als die Gewißheit, noch eine Aufgabe bewältigen zu dürfen, die geeignet wäre, ein ganzes Leben auszufüllen!

Das große Rennen
Der Zentrale Mittelpunkt bildete des Kommandanten Sitz. In weitem Rund umringten ihn die Sessel der anderen.
    Ihre Sinne waren auf Bender fixiert, dessen Haltung die Symmetrie des Raums zerstörte, gleich wie ihre Sicherheit.
»Sie holen auf.«
»Woher sie den Mut nehmen?« fragte Molm.
»Mut?« Benders Bernsteinaugen blickten adlerscharf.
»Aramet ruiniert sein Schiff. Sie riskieren Kopf und Kragen.«
Mit jedem Wort hackte Molms Hand durch die Luft, als müsse sie, anstelle des Schicksals, den unverfrorenen Gegner guillotinieren.
Ohne eine Miene zu verziehen, beobachtete Laurenz ihn. Die Forschheit der Handstreiche erfüllte ihn mit Sorge, wenngleich er einer gewissen Amüsiertheit Platz einräumte. Es bereitete ihm keinerlei Genugtuung, wieder einmal festzustellen, daß des Dritten Astrogators Äußerungen einem simplen Schema genügten. Sollte ihm der Junge leid tun? Er würde sich anpassen, indem er sich bemühen würde, Bender zu kopieren. Irgendwie war ihm die Vorstellung peinlich. Er gönnte es Molm, das zu erreichen, was er sich vorgenommen hatte, und das war allem Anschein nach

Weitere Kostenlose Bücher