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Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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Haut ihre Erregung.
»Ich habe mich auf diese Nacht mit Ihnen gefreut. Kommen Sie, wir können noch unter die ersten Zehn zählen. Seien Sie kein Spielverderber.« Der Transcoder hatte Mühe, dieses Wort ins Intergalaktische zu übersetzen.
Ein Spiel? Wie sollte er sich dieses Körpers wieder entledigen? Das war kein Spiel mehr. Das nicht und nicht das ringsum.
»Es ist ein Spiel mit dem Feuer«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Sie werden sich die Finger verbrennen.«
»Ein Spiel«, sagte sie, »für eine Nacht.«
»Das meine ich nicht. Merken Sie nicht, woran Sie sich beteiligen?« Er zog sie an sich. Seine trockenen Lippen berührten ihre Stirn. »Leben Sie wohl, liebe Granoveda. Sie tragen in sich Wünsche, die mich beunruhigen. Vielleicht sind sie angemessen für Isoba. Ich aber denke und fühle als Erdenbürger. Meine Verantwortung reicht in die Zukunft.« Er spürte, daß er ihrem Drängen und den Forderungen dieser Nacht nicht würde widerstehen können. Er ahnte, die Folgen wären unabsehbar. Ohne sein Zutun wurde sie fortgetragen.
»Bringen Sie mich hier heraus«, sagte er zu Penser.
Sein Gefährte zog ihn mit sich. Zielbewußt strebte er in eine Richtung, und unvermittelt fanden sie sich im Freien wieder, Geblendet schloß Grünspan die Augen. Er atmete tief, als sei er einer Gefahr entronnen. Langsam fand er zu sich selbst zurück. Granoveda! Der Arzt. Wie logisch hatte dessen Beweisführung für den permanenten Tag geklungen. Sie war es! Was für ein Demagoge.
»Ein lächerliches Ritual.« Als befürchte er, seine Worte würden belauscht, blickte er sich um. »Okkultismus! Wagen Sie es noch, lieber Freund, mir zu widersprechen?«
Penser lächelte. Es war ein umfassendes, alles ergreifendes Lächeln. »Sie zwingen mich geradewegs dazu. Die Leute dort drinnen äußern eine Sehnsucht.«
»Eine Sehnsucht nach einem jenseits der Realität befindlichen Zustand? Wie wenig konstruktiv ist das!«
»Es ist eine künstliche Realität.«
»Was tut das«, erwiderte Grünspan. »Alle Realität, die vernunftbegabte Wesen schaffen, ist irgendwie künstlich.«
»Muß sie auch aufgezwungen sein?«
»Aufgezwungen, aufgezwungen«, Grünspan erregte sich. »Wodurch, von wem?«
»Aufgezwungen infolge einer überholten Realität. Das gibt es doch, nicht wahr?«
»Genauso gibt es Dinge und Zustände, die einen bleibenden Wert verkörpern, die niemals Veränderung erfahren.«
»Und dazu gehört das Wetter, das ursprüngliche Wetter!« Penser, der etwas zurückgeblieben war, eilte an Grünspans Seite. »Sie bemühen sich vergeblich, die Folge als den Ursprung auszugeben.«
»Ich gebe den Vorwurf zurück«, Grünspan ereiferte sich. »Sie wollen äußere Widersprüche für innere erklären, während ich dieselben ausmerzen will, damit wir all unsere Konzentration auf uns selbst verwenden können.«
»Sie meinen«, spottete Penser, »damit die äußere Harmonie innere vortäuschen kann.«
Grünspan hatte einen umgestürzten Baumriesen erklommen. Oben hockend, wollte er seinem Gefährten die Hand reichen. Doch ehe er sich zu der hilfreichen Geste entschlossen hatte, stelzte Penser ohne Schwierigkeit über das Hindernis, und sie setzten ihren Weg durch die Wildnis fort.
Zwei Tage lang wich Grünspan Penser aus. Er wählte andere Zeiten, um das Essen einzunehmen. Meist jedoch brach er in aller Frühe auf, aß außerhalb und kehrte erst spät zurück. Er redete sich allerdings ein, es wegen Granoveda zu tun; er redete sich die Hoffnung ein, sie wiederzufinden, doch gleichzeitig begleitete ihn die Befürchtung, ein unseliger Zufall möchte eine Begegnung zwischen ihnen arrangieren. Ihre Jugend, ihre romantische Narrheit, ihre Illusionen verfolgten ihn mit all ihrer ihnen innewohnenden Unruhe. Er brauchte jemanden, mit dem er sich in Ruhe auseinandersetzen konnte; er brauchte innere Übereinstimmung. Für Momente tauchte der Arzt in seinen Gedanken auf. Letztlich ging er allem aus dem Weg. Er durfte sich in seiner Objektivität durch nichts beschränken lassen. Er wanderte durch die Stadt, ging über Straßen und Plätze und suchte in den Gesichtern eine Antwort, und er fand, was zu finden er gehofft hatte: Zufriedenheit!
Am Abend des zweiten der einsamen Tage überreichte man ihm an der Rezeption einen Brief. Er stammte von Penser. Darin teilte er ihm mit, er beabsichtige, in das Wetterreservat zu reisen, um das Leben der Leute in einer Umgebung mit unreguliertem Wetter zu studieren. Sie würden sich wohl kaum jemals wiederbegegnen, was er

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