Störgröße M
Sein Arm wies auf die Frau. »Das ist Doktor Heiken. Doktor Glissender. Meine engsten Mitarbeiter. Mein Name ist Batoo Palström. Carielgan…«
»Wer ist Carielgan?«
»Anh.« Batoos Lächeln flößte Cerpendeel Vertrauen ein, und erbrauchte nichts mehr als Vertrauen. »Als von ihm die Rede war, haben Sie wohl noch geschlafen. Er ist unser Plastiker. Doktor Heiken meinte, Sie wären kraft seines Genies wiedererstanden wie Phönix aus der Asche. So unrecht hat sie nicht.«
Das Lächeln der Frau kam Cerpendeel berufsmäßig karitativ vor. »In alter Kraft und Schönheit.«
Glissender schwieg und sah zu.
Cerpendeel musterte Batoo. Die Glatze sowie der dunkle Teint verliehen ihm etwas von priesterlicher Weihe. Ungemein gelassen wirkte die Aufmerksamkeit seiner Augen. Hinter dieser Stirn vermutete er Ungeheuerlichkeiten. Diesem Mund traute er zu, sie auszusprechen.
»Es war nicht viel von Ihnen übrig«, sagte der Arzt. »Genaugenommen nur das Gehirn. Ob Sie ein Wunder sind, weiß ich nicht. Aber Sie waren ein hartes Stück Arbeit. Nur zehn Jahre früher, und Sie hätten keine Chance gehabt.«
Cerpendeel wollte lächeln, und er spürte plötzlich sein Gesicht. »Geben Sie mir einen Spiegel.«
Die Frau griff zur Seite.
»Sie sind gut vorbereitet.«
Palström lachte. »Es ließ sich denken.«
Er erblickte sein eigenes Gesicht. Es waren seine vertrauten Züge, vielleicht bereichert, auf alle Fälle verändert um eine unbekannte Komponente. Er entdeckte haarfeine Narben. »Wie schlimm war es wirklich?«
»Nun«, antwortete Palström, »in Hochzeiten bemühten sich etwa zwanzig Ärzte und etwas weniger anderes medizinisches Personal um Ihre Weiterexistenz. Ein paar Kubikmeter Technik noch.«
»Soviel bin ich wert?« Eine ganz bestimmte Erinnerung veranlaßte ihn zu der Frage. »Soviel Mühe? Haben Sie lange mit mir zu tun gehabt?«
Der Arzt blickte ihn prüfend an, dann sagte er: »Ich denke, Sie vertragen die Wahrheit. Die Explosion, die Ihren Tod quasi herbeiführte, ereignete sich vor etwas mehr als fünf Jahren.«
Ein-, zweimal durchzuckte seine Muskeln der Impuls aufzuspringen. Doch dann erschlaffte sein Körper. Eigenartigerweise half ihm das Schweigen, sich zu fangen. Mit matter Ironie fragte er: »Wo bin ich?«
»Im Klinikzentrum eins des Nordabschnitts sieben.«
»Herrgott!« Cerpendeel schrak vor seinem schwächlich heiseren Schrei zusammen. »Auf der Erde? Auf der alten Erde? Oder wo?«
Die drei wechselten belustigte Blicke. »Ja, wo dachten Sie denn?«
»Nein«, flüsterte Cerpendeel, »das darf nicht sein. Warum sind wir nicht aufgebrochen? Warum haben wir nicht den einmal eingeschlagenen Weg weiterverfolgt? Ich will das nicht verantworten, ich nicht! Es ist nicht meine Schuld. Wieso haben sie sich meinem Willen gebeugt, wieso? Das ist doch ungewöhnlich. Die Zukunft der Menschheit liegt im All. Das weiß doch jeder. Der Koordinator weiß es…«
»Beruhigen Sie sich«, sagte Batoo. »Soweit ich informiert bin, entschied die Weltkoordinative seinerzeit auf Grund der durch Ihre Forschungen eröffneten neuen Möglichkeiten. Haben Sie das vergessen? Erinnern Sie sich nicht, daß die Aktion Urbarmachung der Erde noch unter Ihrer Leitung anlief?« In den Mienen der drei drückte sich Besorgnis aus.
Cerpendeel hatte nichts vergessen. Plötzlich verließ die fast unerträgliche Spannung ihn, und er sank zurück. »Ich erinnere mich. Ich trieb die Arbeiten am Schwerkraftgenerator voran. Ich verletzte fundamentale Sicherheitsbestimmun gen. Ich brauchte Erfolge! Der Erfolg gibt dem Sieger recht. Die Weltkoordinative entschied damals nicht freiwillig anders. Ich habe den Koordinator dazu gezwungen. Er wartete auf hier auf Mißerfolge von mir. Er hat nicht umsonst gewartet. Wie vielen Menschen hat mein Ehrgeiz das Leben gekostet?«
»Regen Sie sich nicht auf«, sagte Batoo. »Niemand kam um. Sie befanden sich allein dort.«
»Die Erde«, sagte Cerpendeel, »die häßliche, alte Erde. O Gott, was habe ich angerichtet.«
»Schlafen Sie jetzt«, sagte der Arzt. »Sie haben morgen einen großen Tag vor sich. Erstens, Sie werden uns beweisen müssen, daß unsere Arbeit Erfolg hatte. Zweitens, Sie werden den Ihren besichtigen, Drittens, Sie werden Ihre Frau wiedersehen. Gute Nacht, Doktor Cerpendeel!«
Sein Erwachen begleitete das Erstaunen, nach fünf Jahren der Ruhe – an den Tod wollte er nicht denken – noch eine Nacht so tief und traumlos geschlafen zu haben.
Batoo war bereits zur Stelle, doch er lehnte dessen Hilfe ab.
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