Stoff für viele Leichen
sie sich gar nicht wehren. Außerdem hat man
ihr nicht alles verraten. Sie weiß zum Beispiel nicht, daß sie dabei ins Gras
beißen wird. Als Nestor außer Gefecht ist, machen die lustigen Vögel mit ihr,
was sie wollen. Ich muß wohl ‘ne gute Figur abgegeben haben. Zum Totlachen. Sie
töten Marion und ziehen ihr das Kostüm aus dem Puff in der Rue de la Lune an,
um das Verbrechen als Tat eines sexuell Abartigen zu tarnen. Arrangieren alles
so, daß nur ich als Täter in Frage kommen kann. Sie treiben ihren Sadismus
sogar so weit, daß sie dem Mädchen und mir Drogen einspritzen und Nadel und
Ampulle gut sichtbar liegenlassen. So kann ich meinen Ruf als kluger Kopf
natürlich nicht aufrechterhalten
Ich schob meinen Ärmel zurück. Ein kleiner roter
Punkt auf dem Unterarm. Die Spur der Nadel.
„...So schlau war das aber gar nicht. Die
Zeitungen sagen nicht alles. Die Zeitungen sagen nie alles. Die Flics sagen
ihnen nämlich auch nie alles. Aber der Gerichtsmediziner hat bestimmt gemerkt,
daß Marion post mortem was eingespritzt wurde. Das ist unseren Freunden vielleicht auch egal. Sie
wollten nur sicher sein, daß ich erst nach einer ganzen Weile wach wurde. Als
dann alles fertig ist für den Totentanz, der dynamische Detektiv an seine
Partnerin angekettet, machen sie sich aus dem Staub, lassen aber einen
Schlüssel da und schließen mit einem Zweitschlüssel ab. Dann rufen sie die
Flics an. Zum Glück sind die nicht scharf drauf, sich an den Tatort zu bemühen,
nur weil einer anruft und sofort wieder auflegt. Das erreichen unsere Freunde
erst durch Hartnäckigkeit... Aber inzwischen bin ich aus meiner Bewußtlosigkeit
erwacht... War schlecht dosiert, die Droge. Von denen nimmt wohl keiner welche,
Hélène. Sonst hätte das besser geklappt. Keine Drogensüchtige, nur Kraftprotze,
kerngesunde Zuhälter... Ich wach also auf und hab das unbeschreibliche Glück,
daß meine ergebene Sekretärin wunderbarerweise vorbeikommt, bummelte gerade in
der Gegend umher, einfach so, zufällig...“
Hélène wurde rot.
„Zu Tisch“, sagte sie und legte die Gedecke auf.
Ich setzte mich.
„...Und das Unternehmen ist schief gegangen.“
„Egal!“ bemerkte Hélène und schnitt in den
Schinken. „Dieser verdammte Lévyberg!“
„Welcher Lévyberg?“
„Interessieren Sie sich nicht sehr für einen
gewissen René Lévyberg?“
„Lassen Sie den zufrieden und laden Sie nicht
alle Sünden Israels auf ihn. Überlassen Sie das den Antisemiten, und auch den
Zusammenhang zwischen Lévyberg und den Ereignissen von gestern abend. Sicher,
ein bißchen ist es schon seine Schuld, daß ich in die Rue de la Lune gegangen
bin. Aber den Blumentopf, den ich da gewonnen habe, ohne es zu wollen oder auch
nur zu ahnen — damit hat er nichts zu tun. Und ich sollte doch wohl
ausgeschaltet werden, damit ich nicht in dieser geheimnisvollen Sache weiter
herumwühle. Ist bestimmt sehr wichtig..
„Hm...“
„Ich schein Sie wohl nicht überzeugt zu haben.“
„Stimmt.“
„Hören Sie, Schätzchen... oh, pardon! ... äh...
Nehmen wir mal an, alles wär so gelaufen, wie es sich Marions Mörder gedacht
hatten. Die Flics lochen mich ein. Laß ich das mit mir machen? Wenn meine
Freiheit auf dem Spiel steht, ist Schluß mit dem Versteckspiel. Ich setz mich
also mit den Flics an einen Tisch. Erzähl ihnen, daß ich hinter einen
Erpressungsversuch gegen den Tuchhändler gekommen bin usw. Ich pack alles aus.
Und dann? Was tun dann die Polypen?“
„Sie laufen zu Lévyberg.“
„Ganz genau. Vermuten in ihm den Täter oder
einen Zeugen. Wenn er mich und den Arm des Gesetzes von seiner Spur ablenken
wollte, hat er sich wie ein Rindvieh benommen. Ich halte ihn aber nicht für ein
Rindvieh. Nein, meine liebe Hélène, Lévyberg ist zu klug, um so dumm
vorzugehen. Außerdem hat er gar keinen Grund... Er ist nicht gerade auf einen
Skandal aus. Denken Sie an seine gesellschaftliche Stellung. Wir zwei haben
zwar etwas Stunk miteinander... Unvereinbarkeit der Charaktere’. Aber wenn er
mir richtig böse wär, wenn ich ihm richtig im Weg wär, weshalb und wo auch
immer, wenn es so richtig hart auf hart käme — dann würde er mich töten oder
töten lassen; aber er würde doch niemals solch ein Spektakel veranstalten.“
„Aber warum überhaupt dieses Spektakel? Warum
hat man Sie nicht ganz einfach umgebracht?“
„Bedauern Sie es?“
„Reden Sie keinen Quatsch.“
„Und Sie auch nicht. Ein Privatdetektiv, das ist
so was Ähnliches wie’n
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