Stoff für viele Leichen
rumschleppte. Höchste Zeit, daß ich mir die beiden verräterischen
Beweisstücke vom Halse schaffte. Hélène ging alleine ins Büro. Ich war noch zu
kaputt. Besser, ich erholte mich in ihrem Bett.
Das war’s für heute. Es passierte nichts mehr.
Nicht mal Florimond Faroux ließ sich sehen. Um sieben Uhr kam Hélène wieder
zurück. Wir aßen zusammen zu Abend. Zum Schlafen schickte sie mich aber nach
Hause. Das Mädchen weiß wirklich nicht, was sie will.
Einer haut ab
Am nächsten Morgen wachte ich früh auf. Die
Sonne schien, und ich fühlte mich in Höchstform. Noch vor Hélène war ich in der
Rue des Petits-Champs. Um zehn Uhr rief ich Esther an und bat um eine
Unterredung.
„Sind Sie mir noch böse?“ fragte sie.
„War ich gar nicht.“
„Ich schon. Aber nur etwas. Treiben Sie Ihre
Klientinnen immer so in die Enge?“
„Sie müssen zugeben, daß Sie eine seltsame
Klientin sind“, wich ich aus.
„Ich gebe gar nichts zu. Und wenn ich eine
seltsame Klientin sein soll, dann sind Sie ein seltsamer Detektiv. Ich bin nicht
zufrieden mit Ihnen.“
„Ich bringe Ihnen ‘was mit, dann werden Sie sehr
zufrieden sein.“
„Dann kommen Sie.“
Eine Viertelstunde später saß ich in dem
wohlbekannten düsteren Salon.
„Ich möchte Ihnen eine Aufgabe übertragen,“
sagte ich, „die Ihnen bestimmt gefallen wird. Sie sollen Ihre Nase in die
Angelegenheiten Ihres Bruders stecken. Er hat sich in den letzten Tagen an
einen Privatdetektiv gewandt. Ich will wissen, an wen. Vielleicht wissen Sie ja
schon darüber Bescheid. Vielleicht haben Sie ja auch erst mit mir Kontakt
aufgenommen, weil er einen Kollegen von mir engagiert hat
„Ich weiß über gar nichts Bescheid“, sagte sie
schnippisch. „Außerdem wissen Sie ganz genau, warum ich...“ Unbarmherzig
unterbrach ich sie:
„Nein. Schluß mit den Lügen, und Schluß mit
Moreno.“
„Ich lüge nicht.“
„Sie lügen, sobald Sie den Mund aufmachen. Ohne
es zu merken.“
„Dann frage ich mich,“ lachte sie säuerlich,
„wozu ich Ihnen nützen könnte. Alles, was ich Ihnen sagen kann...“
„Sie werden mir auch gar nichts sagen. Sie
sollen nur in seinen Sachen rumschnüffeln. Sie werden ein Dokument finden, das
irgendetwas mit einem Detektiv oder einem Drohbrief zu tun hat...oder Sie
werden nichts finden. Was Sie finden, geben Sie mir. Ganz einfach.“
Sie hob die Schultern:
„Er schließt alles ein. Aber gut, ich werd’s
versuchen... Sie sind wirklich ein feiner Detektiv. Überlassen Ihren Klienten
die Arbeit! Na ja...“
„Was anderes“, sagte ich. „Gérard Bonfils.“
Sie fuhr hoch:
„Ja?“
„Ich will mit ihm reden. Ist er im Hause?“
„Weiß ich nicht. Ich muß nachfragen. Er ist
nicht ständig hier. Manchmal hält er sich auf dem Land auf. Was wollen Sie von
ihm?“
„Er soll dasselbe tun wie Sie.“
„Sie sind doch verrückt! Er ist sein bester
Freund.“
„Eben. Vielleicht weiß der was.“
„Wie Sie wollen. Schließlich sind Sie der
Detektiv, nicht ich..
Sie ging hinaus und ließ mich ein paar Minuten
alleine. Dann kam sie zurück mit dem vornehmen Schürzenjäger. Monsieur Bonfils
gab mir höflich die Hand. In seinen Augen las ich so was wie feindselige
Neugier. Unser erstes Zusammentreffen auf der Rue Saint-Denis lag ihm immer
noch auf dem Herzen. Tat mir leid, aber ich mußte ihn nochmal dran erinnern.
„Guten Tag, Monsieur Burma“, sagte er. „Sie
wollten mich sprechen?“
„Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.“
„Ich höre.“
Er sah sich nach einer Sitzgelegenheit um, fand
nichts, was ihm zusagte, und setzte sich rechts neben mich auf die Holzbank;
sein linkes Ohr taugte anscheinend noch was. Ich sah Esther an. Sie hob wieder
die Schultern.
„Ich laß Sie allein“, knurrte sie.
Bestimmt ging sie nicht weit weg, aber der
Anschein war gewahrt.
„Mein lieber Monsieur Bonfils“, fing ich an,
„Sie legen doch Wert auf Ihre Stellung, oder?“
„Welche Stellung?“
„Die Sie hier bekleiden. Als Freund des Hauses
Lévyberg.“
„Natürlich. Ich habe Ihnen doch schon gesagt,
daß das äußerst vorteilhaft für mich ist.“
„Ich werde Ihnen helfen, diese Stellung zu
behalten.“
„Ist sie denn gefährdet?“
„Das könnte passieren. Monsieur Lévyberg hat
mich zwar nicht gerade ins Herz geschlossen, aber wenn ich ihm von Ihren
Eskapaden erzählen würde...“
Die Befürchtungen von Monsieur Bonfils waren in
meinen Augen lächerlich. Aber sie existierten nun mal. Warum sie
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