Stoff für viele Leichen
wieder.“
„Meine Fingerabdrücke... auf diesen Stacheln und
dem Leder... hab überall welche hinterlassen
„Mein Gott!“ stöhnte Hélène. „Wir werden hier
nie fertig…“
Während ich mich hastig anzog, überwand Hélène
ihren Ekel und fing an, mit ihrem Taschentuch an allen Stellen herumzuwienern,
an denen meine Fingerabdrücke sein konnten. Man hätte meinen können, sie wollte
den ersten Preis gewinnen. Als sie ihre traurige Putzerei beendet hatte, beugte
ich mich über Marion und schloß ihr die Augen. Sie hatte genug Schweinereien
gesehen. Tot und lebendig.
Puzzlespiel
Als ich aufwachte, lag ich in einem fremden
Bett. Das Zimmer kam mir bekannt vor, war aber auch nicht meins. Obwohl es hier
ziemlich dunkel war, war ich mir dessen sicher. Zuviel Parfüm, zu weiblich. Es
sei denn, ich hatte das Geschlecht gewechselt, wie es in letzter Zeit modern
ist. Ich ging ganz schön wüst mit meinem Körper um... Bei Marion, zum Beispiel!
Großer Gott! Marion! Unmöglich! Ich war das Opfer eines schrecklichen Alptraums
gewesen, bestimmt weil ich diesen Mordsrausch gehabt und dann das Bett
gewechselt hatte. Fieber und Kopfschmerzen gaben eine deutliche Antwort. Jetzt
merkte ich auch, weshalb ich aufgewacht war: Jemand war ins Zimmer getreten.
Ich knurrte vor mich hin. Dieser Besucher, übrigens eine Besucherin, kam an
mein Bett und nahm meine Hand:
„Geht’s besser, Chef?“ erkundigte sich Hélènes
sanfte Stimme.
„Geht so...na ja, so ungefähr...weil...äh...also
hab ich geträumt?“
„Leider nein.“
Ich sah mich wieder die Treppe des
Unglückshauses runtergehen, wie im Nebel, von meiner Sekretärin ab- und aufs
Geländer aufgestützt, völlig fertig, mehr schlecht als recht gegen Schwindel
und Übelkeit ankämpfend. Ich glaube, wir begegneten niemandem im Treppenhaus.
Hinter jeder Tür hörte man nur das Klappern von Tellern und Löffeln, die fürs
Abendbrot zurechtgelegt wurden. Auf der Rue Montorgueil mischten wir uns unters
Volk. Es herrschte immer noch reges Treiben. Hausfrauen, die spät dran waren,
stürzten sich auf die Auslagen, die die Händler lauthals anpriesen. Wir müssen
wohl vor dem Pressegebäude ein Taxi genommen haben... aber genau wußte ich das
nicht mehr...
„...Und jetzt bin ich bei Ihnen, wenn ich das
recht sehe?“
„Sie kapieren immer noch schnell.“
Ich lachte:
„Von wegen! Vor allem seit einigen Tagen... Wenn
das Wasser die erste Plattform des Eiffelturms erreicht, halte ich es nicht
mehr für ausgeschlossen, daß die Seine möglicherweise Hochwasser führen könnte.
Ganz schön dynamisch, hm? ... Verflixt nochmal! Was wird Ihre Concierge
denken?“
„Im allgemeinen denkt sie nicht.“
„Würde gern mit ihr tauschen. Ich komm nämlich
schon wieder ins Grübeln... Wie spät ist es?“
„Bald ein Uhr. Kurz nach Mittag. Sie haben ungefähr
fünfzehn Stunden geschlafen.“
Sie zog die Vorhänge zurück. Tageslicht
beleidigte meine müden Augen.
„So kommt man also in das hübsche Heiabettchen
eines kleinen braven Mädchens? Also wirklich...“
„Kommen Sie bloß nicht auf krumme Gedanken! Ich
hab Sie nur hergebracht, damit Florimond Faroux Sie nicht womöglich noch
schikaniert. Man kann nie wissen. War aber gar nicht nötig, weder die Vorsicht
noch die sauberen Laken. Faroux ist nicht aufgetaucht. Wenigstens nicht im
Büro...“
„Auf krumme Gedanken komm ich bestimmt nicht.
Bin viel zu kaputt. Aber Sie hoffentlich auch nicht, Hélène! Ich habe das arme
Mädchen nicht umgebracht. Zweifeln Sie daran?“
„Nein. Aber Sie müssen vorsichtig sein.“
„Richtig. Übrigens, haben Sie Zeitungen hier?
Steht was drin?“
„Zeitungen, dazu der Bericht von Reboul und
Zavatter über die geschäftlichen und finanziellen Aktivitäten von René
Lévyberg.“
„Erst mal die Zeitungen.“
Pünktlich zur Giftstunde brachte die
Elf-Uhr-Ausgabe des Crépu die Schlagzeile:
PROSTITUIERTE UNTER DRAMATISCHEN UMSTÄNDEN IN
IHRER WOHNUNG GRAUSAM ERMORDET
Ich las:
Gestern abend erhielt
die Polizei mehrere anonyme Anrufe, anscheinend immer von demselben
geheimnisvollen Unbekannten. Jemand sollte in der Rue Montorgueil ermordet
worden sein. Zuerst glaubte die Polizei an einen schlechten Scherz, schickte
dann aber schließlich einen Wagen hin. Die befragte Concierge und einige Mieter
erklärten, nichts davon zu wissen. Sie hatten auch nichts Verdächtiges bemerkt.
Um ganz sicher zu gehen, durchsuchten die Beamten das Haus. In einer
unbewohnten
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