Stoff für viele Leichen
Abstellkammer neben dem Zimmer von Marie-Yvonne Blandin, die der
Sittenpolizei unter dem Namen Marion bekannt ist, fand man die Prostituierte,
erdolcht. Die Mordwaffe steckte noch in der Brust. Das Opfer trug spezielle Kleidung
für perverse Kunden. Im Zimmer von Marie-Yvonne Blandin fand man außerdem eine
Injektionsspritze und eine zerbrochene Ampulle, die ein Betäubungsmittel
enthalten hatte. Die medizinische Untersuchung ergab, daß das unglückliche
Opfer betäubt wurde. Es ist anzunehmen, daß es sich hier um die Tat eines
Sadisten handelt, wahrscheinlich eines Kunden der Prostituierten. Die
Untersuchungsbeamten meinen, daß der Mörder selbst bei der Polizei angerufen
hat, wie einst Jack the Ripper, der uns noch in unheimlicher Erinnerung ist,
oder der Vampir von Düsseldorf. Die Polizei hat mehrere Kolleginnen von Marion
vernommen. Zur Zeit sucht man noch ihren Zuhälter, der vielleicht nützliche
Hinweise auf die Kundschaft des Opfers geben kann.
Ich schob die Zeitung beiseite. „Sie werden ihn
schon finden, ihren Zuhälter, über kurz oder lang... Fragt sich nur, in welchem
Zustand.“
Hélène fuhr hoch:
„Sie wollen doch nicht sagen...“
„Ich will überhaupt nichts sagen. Vielleicht hab
ich mich noch nicht recht von der Aufregung erholt. Hab ‘nen schlechten
Geschmack im Mund. Seh noch immer den Tod vor mir. Vielleicht bilde ich mir
auch nur was ein. Aber solche Kerle, die ohne Zögern ein armes Mädchen wie
Marion umbringen, nur um mich in Schwierigkeiten zu bringen...“
„Sind Sie zu diesem Schluß gekommen?“
„Ja. Übrigens, als Sie mich gefunden haben, so
hübsch vereint mit der Leiche, sind Sie da gerade zur rechten Zeit gekommen
oder...“
„Ich war schon die ganze Zeit in dem Viertel
herumgelaufen...“
„Und haben nichts Ungewöhnliches bemerkt?“
„Zwei üble Gestalten sind ins Haus gegangen.
Aber das kam mir in dem Augenblick nicht ungewöhnlich vor.“
„Wann?“
„Sagen wir...sechs Uhr.“
„Ich muß kurz vorher aus den Latschen gekippt
sein. Sind die beiden wieder rausgekommen?“
„Ja.“
„Wann?“
„Etwa eine halbe Stunde später. Ich hab nicht
genau aufgepaßt.“
„Wie sahen die Männer aus?“
„Wie Zuhälter.“
„Können Sie sie beschreiben?“
„Ich hab nicht so genau hingesehen. Ich war
nicht da, um sie zu beschatten.“
„Jaja. Sie waren nicht da, um sie zu beschatten.
Warum waren Sie denn da?“
Hélène saß am Kopfende. Verlegen zappelte sie
auf ihrem Stuhl.
„Nur so.“
Ich lachte:
„Die Angestellten von Fiat Lux sind alle nach
demselben Muster gestrickt. Sind immer an den unwahrscheinlichsten Orten, nur
so, für nichts und wieder nichts, zum Blümchenpflücken. Hören Sie, Hélène...“
„Ja?“
„Äh...“
Ich besann mich anders. Sollte ich ihr etwa ihre
Eifersucht vorwerfen, die doch diesmal sehr vorteilhaft für mich gewesen war?
Trotzdem, es war doch die Höhe! Schließlich sind wir nicht verheiratet,
verdammt nochmal! Wir haben noch nie zusammen geschlafen, wie das schon mal
unter guten Freunden passiert. Verflixt! Ob ich es irgendwann einfach mal
probieren sollte? Es wird sowieso soviel über uns geredet! Sollen Sie doch auch
endlich Grund dazu haben. Bin schließlich kein Egoist.
„...Äh...nichts. Sie sehen ja, ich mach da keine
Ausnahme. Ja, ja, diese Nestor-Truppe!“
Ich sah ihr tief in die Augen. Sie fühlte sich
ertappt und wurde rot.
„Gut. Kommen wir wieder auf unsere Freunde
zurück. Das waren doch sicher die, die dieses lebende Bild arrangiert haben, um
Nestors Ruf zu ruinieren. Ich hab folgende Theorie: In dem Puff werd ich
erkannt. Irgendwelche Gucklöcher gibt’s da immer. Hätt’ ich auch etwas früher
dran denken können! Ich nenn mich Martin, aber irgendein kluger Kopf kennt
mich, identifiziert mich als Nestor Burma. Und als ich mich mit Marion woanders
als in der Rue de la Lune verabrede, errät dieser kluge Kopf, daß ich sie
weichkochen will. Dabei fällt mir ein... ich hab so’n leichtes Hungergefühl.“
„Ein gutes Zeichen“, nickte Hélène.
„Haben Sie was zu Essen hier?“
„Ja.“
Sie ging in die Küche. Ich folgte ihr, nicht
ganz so frisch wie eine blühende Rose, aber munter genug, um weiterzureden, vor
allem, nachdem ich meine Hose angezogen hatte. Hélène hantierte inzwischen mit
ihren Töpfen.
„Marion wird gezwungen, die entsprechenden Leute
zu benachrichtigen, wenn ich ein Rendezvous mit ihr vereinbare. Sie muß mir was
in mein Getränk mixen. Dagegen kann
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