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Stoff für viele Leichen

Stoff für viele Leichen

Titel: Stoff für viele Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Wiedersehen,
Monsieur.“ Mechanisch gab ich ihm die Hand. Er stieß sie zurück.
    „Ich bin aber nicht so höflich! Machen Sie, daß
Sie rauskommen!“
    Sein Ton mißfiel mir. Also ärgerte ich ihn noch
etwas:
    „Es wäre mir ein Vergnügen gewesen, Ihnen die
Hand zu geben. Eine kräftige Hand, hart und fest. Beinahe die eines Mannes, der
mit den Händen arbeitet.“
    „Oder vielleicht auch, der erwürgt?“
    „Warum nicht?“
    Er zuckte die Achseln und sah seine Hand an.
Schloß sie, öffnete sie, schloß sie wieder usw. Wohl ein Tick von ihm. Hatte er
schon mal gemacht.
    „Ich hab noch alle meine Finger“, bemerkte er.
    „Wenn man würgen will, braucht man die wohl
auch.“
    „Ach ja? Die Polizisten haben nicht...“
    Die Tür zum Salon ging auf, und Faroux kam raus.
Er hatte unsere Unterhaltung ganz oder zum Teil mitgekriegt.
    „Reden Sie keinen Blödsinn, Burma!“ schimpfte
er. „Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten. Werden ‘ne Menge zu tun
haben. Die Spuren am Hals von Mademoiselle Lévyberg beweisen, daß dem Mörder
der kleine Finger an der rechten Hand fehlt. Bei Ihrer Vorliebe zur Poesie
sollten Sie mehr an Gespenster glauben.“
     
    * * *
     
    „Also wirklich!“ rief Hélène, als ich ihr die
Neuigkeiten erzählte.
    „Man wird uns noch weismachen wollen, daß Kriege
gar nicht so mörderisch sind, wie wir meinen“, seufzte ich.
    Ich telefonierte, um mit Leuten Kontakt
aufzunehmen, die ich seit mehreren Jahren aus den Augen verloren hatte. In einer
Geschäftsstelle der Gewerkschaft saß ein Mann namens Hervé. Er konnte mir zwar
nicht großartig weiterhelfen, erinnerte mich aber an einen Korrektor in einer
Druckerei, einen gewissen Pillet. Nach einigen Telefonaten wußte ich, bei
welcher Zeitung Pillet jetzt arbeitete. Wir verabredeten uns für drei Uhr
morgens im Croissant, einem Bistro für Zeitungsausträger. Danach genehmigte ich
mir eine wohlverdiente Pfeife. Den ganzen Tag über blieb ich in der Agentur.
Hielt sogar ein kleines Schläfchen. Um sechs Uhr holte Hélène die neuesten
Ausgaben der Abendzeitungen.
    Der Mord an Esther Lévyberg wurde nur am Rande
erwähnt. Ihr Bruder hatte einen langen Arm, mit dem er sich verteidigte und
versuchte, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Die Zeitungen schrieben
nur, daß Esther Lévyberg von dem Sadisten aus der Rue Montorgueil angefallen
worden war, als sie von Freunden zu Fuß nach Hause ging. Das war alles. Der
Sadist hatte einen breiten Rücken. Er hatte auch lange Beine und konnte schnell
laufen, was mich nicht sehr überraschte. Die Ermittlungen in dem Mord an Marion
gingen also nicht voran. So ein Pech! Der Zuhälter der Prostituierten, dieser
wichtige Zeuge, von dem man so viel erwartete, ließ die Polente im Stich. Man
hatte seine Leiche auf einem unbebauten Gelände an der Porte de Châtillon
gefunden. Wahrscheinlich waren hier alte Rechnungen beglichen worden.
    Mich konnte nichts mehr erschüttern. Ich war auf
alles gefaßt.
     
    * * *
     
    Gegen drei Uhr morgens traf ich mich, wie
verabredet, mit Pillet im Croissant. Zusammen mit einigen anderen Korrektoren
schlürfte er seine Zwiebelsuppe. Ein Mann von etwa sechzig Jahren, der die
Stellung an der Roten Front hielt. War zwar etwas skeptischer geworden, was die
Möglichkeiten zur Verbesserung der Gesellschaft anging, setzte aber den Kampf
fort. Ich brachte mich ihm wieder in Erinnerung. Nach ein paar harmlosen
Späßchen über meinen jetzigen Beruf forderte er mich zum Sitzen auf.
    „Georges Moreno!“ sagte er, als ich ihn nach
meinem Freund fragte. „Oder, wenn’s dir lieber ist, Denis Séverin. So nannte er
sich doch in Barcelona, oder? Als ich in Spanien war, während des Bürgerkriegs,
hab ich ihn oft im Casa Francesa getroffen. Prima Kerl. Etwas zu intellektuell für einige. Trotzdem hat er sich
geopfert. Wie Emile Cottin und viele andere. Sind alle da unten gestorben.“
    „Eben“, sagte ich. „Anscheinend nicht.“
    „Von wem hast du das?“
    „Wird erzählt!“
    „Dann laß sie erzählen! Ich hab 1937 gehört, daß
die Franquisten ihn erschossen haben. Mußte es sogar in der Zeitung lesen.“
    „Seine Leiche hast du demnach nicht gesehen?“
    „Weißt du,“ lächelte er wie ein Engel, „man
bringt sie nicht hinter die Linien, um sie feierlich beizusetzen.“
    „Klar! Wenn ich nur Gewißheit kriegen könnte...“
    Pillet überlegte eine Weile, dann sagte er:
    Gonzalès könnte dir vielleicht mehr darüber
sagen. Der Spanier hat in

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