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Stoff für viele Leichen

Stoff für viele Leichen

Titel: Stoff für viele Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Einladung.“
    „Es ist die Liste ihrer Liebhaber. Anscheinend
hatte sie ein flottes Liebesieben, hat nicht so genau hingesehen. Eine
Nymphomanin. Jeder kam in Frage. Konnte auch Vorkommen, daß sie auf der Straße
irgendeinen Unbekannten ansprach. Der Täter ist vielleicht einer dieser Zufallsbekanntschaften...“
    „Ich gehörte nicht zu ihren Liebhabern. 1930 war
ich nur ganz schön in sie verknallt, aber eben 1930.“
    „Das müssen Sie mir erzählen.“
    „Haben Sie mich dafür kommen lassen? Was
schreibt sie über mich in ihrem Tagebuch?“
    „Folgendes...“
    Faroux blätterte in einem dicken Heft mit
schwarzem Ledereinband.
    „... Nestor
Burma... Ihr Name kommt noch viermal vor. Sie schienen immerhin
Eindruck auf sie gemacht zu haben... Wenn
Moreno zurückkäme. Nestor Burma wäre eine gute Adresse. Ausgezeichnete Idee.
Nestor Burma wird mir seine Hilfe nicht abgeschlagen... Dann zwei
Seiten ohne Hand und Fuß.“
    „Nichts Beleidigendes über ihren Bruder?“
    „Nein. Warum Beleidigendes?“
    Esther hatte sich also nicht völlig dem Papier
anvertraut. Folglich konnte man dem Rest auch nur bedingt Glauben schenken. Es
sei denn, im jiddischen Text... Diese Sprache eignet sich vielleicht eher für
Beschimpfungen.
    „Sie liebte ihren Bruder nicht,“ sagte ich,
„wenn Sie’s genau wissen wollen. Er hat ihre erste Liebesromanze versalzen.“
    „Das weiß ich. Monsieur Lévyberg hat uns von
diesem Moreno erzählt, und auch von dieser Liebesromanze, wie Sie es nennen. Er
hat uns sogar gesagt, daß Moreno einer Ihrer Freunde war. Komischer Vogel,
dieser Lévyberg.“
    „Er sagt aber die Wahrheit.“
    „Und dieser Moreno soll zurückgekommen sein?“
    „Esther bildete es sich ein. Deshalb hat sie mit
mir wieder Kontakt aufgenommen.“
    „Um Das Schlimmste zu verhüten?“
    „Ja.“
    „Was haben Sie unternommen?“
    „Nichts. Weil’s nichts zu unternehmen gab. War
alles dummes Zeug. Moreno ist tot.“
    „Der auch? Verdammt! Wird ganz schön viel
gestorben in Ihrer Umgebung.“
    „Er ist nicht in meiner Umgebung gestorben. Auch
nicht vor kurzem. Schon 1937. In Spanien, von den Falangisten erschossen.“
    Faroux runzelte die Stirn:
    „Also, ich mißtraue diesen Kerlen, die weiß Gott
wo krepiert sind. Letzte Woche hab ich einen von diesen Gespenstern verhaftet.
In Rußland gestorben, in der Uniform der Waffen-SS. Hab ihn an der Porte de la
Chapelle festgenommen, in der Uniform der Fremdenlegion Ich schwieg.
    „Na schön“, sagte er. „Darum geht’s hier nicht.“
    Er fing an, zusammen mit seinen Kollegen, mir
eine Menge langweiliger Fangfragen zu stellen. Immer dieselben, nur jedesmal
anders. Dann ließen sie René Lévyberg rufen. Er kam rein, die Augenlider mehr
denn je in Bewegung, aber nicht gerade vor Kummer gebeugt. Eher unangenehm
berührt. Wir hielten so eine Art Fünferkonferenz ab, wobei meistens nur die
Flics redeten. Nach einer Weile hatten die Herren das Gefühl, Steuergelder zu
vergeuden, und entließen uns gnädig. Zusammen mit Lévyberg verließ ich den
Salon. „Ich möchte Sie sprechen“, sagte ich.
    „Wüßte nicht, warum“, knurrte er.
    „Ich bin über Esthers Tod sicher betrübter als
Sie.“
    „Ja und? Ist das ein Grund, mich zu belästigen?“
    „Haben Sie sie getötet?“
    Er fuhr aus der Haut.
    „Sie Idiot! Sie verdammter Detektiv
    Er stieß einen offensichtlich wenig freundlichen
Satz in jiddischer Sprache hervor, dann:
    „...Oh, nicht daß ich das manchmal nicht gerne
getan hätte! Sie war eine Hure, genau das Richtige für Moreno. Aber ich
bekleide eine gesellschaftliche Stellung und muß meine Gefühle bremsen... nicht
immer, aber häufig.“
    „Eben. Nicht immer. Manchmal können die Bremsen
versagen.“
    „Was wollen Sie damit sagen?“
    „Ich dachte an die Okkupation..
    Er sah mich erstaunt an.
    „Was hat die Okkupation damit zu tun?“
    „Nichts. Mußte nur dran denken, als ich Sie so
sah.“
    „Ach ja? Antisemitisches Bedauern vielleicht?“
    Hörte sich echt an. Die Okkupation erinnerte ihn
nur an übersteigerten Antisemitismus. Ich hielt ihn nicht für Esthers Mörder,
aber man kann ja nie wissen. Wenn er erfahren hätte... Aber er hatte nichts von
der Rolle erfahren, die seine Schwester bei der Verhaftung der ganzen Familie
gespielt hatte. „Ich bin für keine zwei Pfennig antisemitisch.“
    „Für keine zwei Pfennig. Fehlt nur noch, daß Sie
von den berühmten dreißig Silberlingen sprechen!“
    „Dafür bin ich zu höflich. Auf

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