Stolen Mortality
nichts anderes. Sinead ist Senatorin, vertrau ihr nicht!
„Amy weiß von gar nichts.“ Seine Stimme blieb fest, Gott sei Dank . „Ich musste ihr meine Jacke über den Kopf legen, damit sie nicht sehen konnte, wohin wir fuhren. Sie hat nichts mitbekommen. Und was die Entführung angeht , wird sie schweigen wie ein Grab.“
Sinead antwortete ihm nicht und Junias beherrschte seine Atmung gekonnt, um die Lüge nicht durch körperliche Reaktionen zu verraten. Wahrheit liegt im Auge des Betrachters. Dies war seine.
„Wo fahren wir denn jetzt hin?“, fragte er nach wenigen Minuten, in denen er versucht hatte, das ganze Dilemma zu verstehen. Reichlich erfolglos, wie er sich eingestehen musste. Er war sicher, dass die anderen mehr wussten als er. Was Informationen betraf, hielt man ihn kurz. Wie immer. Ganz toll.
Jamian rieb sich die Augen. „Wir haben entschieden, die Nacht in Fort William zu verbringen. In dem Hotel, in dem wir immer übernachtet haben, wenn wir bei den Highland-Games waren.“
„Ist es so ernst, dass wir uns verstecken müssen?“ Junias biss sich auf die Zunge, denn seine Frage klang viel erschrockener, als er es beabsichtigt hatte.
„Nur heute Nacht“, beruhigte ihn sein Bruder. Er wandte sich im Sitz zu ihm um und sah ihn verschwörerisch an. „Ich möchte Magnus einfach nicht wieder begegnen, ehe ich den Senat auf meiner Seite weiß. Wir haben ihm nämlich die Fresse poliert.“
Junias staunte. „Und ich dachte immer, du wärst so friedlich und der Ruhigere von uns.“
„In jedem Schotten steckt ein bisschen William Wallace“, gab Jamian trocken zurück.
Sinead nickte begeistert. „Du solltest einen Kilt tragen und bei jeder Gelegenheit deinen nackten Arsch zeigen. Siehst du , Junias, selbst dein verträumter Bruder kann mal austeilen, wenn’s denn sein muss. Ist halt doch ein echter Kerl, unser Traumtänzer.“
„Was mich gerade mehr als Jamies Hintern interessiert“, unterbrach Junias das Geplänkel, „ist, ob ich morgen pünktlich zur Schule komme.“
Jamian versteifte sich abrupt auf dem Beifahrersitz. Sineads Schultern zuckten.
„Wie bitte?“, fragte Jamian schließlich ungläubig. „Du machst dir Sorgen, die Schule zu verpassen? Haben die dich einer Gehirnwäsche unterzogen, Kleiner?“
„Hat wohl doch übel was auf den Kopf bekommen.“ Sinead gluckste. „Armer Junge.“
Junias verzog genervt das Gesicht. „Sehr komisch. Ich will nur sichergehen, dass es Amy gut geht.“
„Oo-de-Lally, dass ich so was noch erleben darf“, spottete Jamian und knuffte Sinead vergnügt in die Seite. „Mein kleiner Bruder freut sich auf die Schule, hast du das gehört? Keine Sorge, June, nur für dich stehe ich morgen extra früh auf und fahre dich höchstpersönlich. Egal , wer oder was uns auf den Fersen ist – eine Schule ist für dich der sicherste Ort der Welt.“
Junias rieb sich den geschwollenen Kiefer. Die Häme ging ihm langsam auf den Geist. „Und wieso das, bitte schön ?“
„Niemand würde dich je an einem solch schrecklichen Ort vermuten, wenn es auch nur den kleinsten Grund für dich gäbe, ihm fernzubleiben . Niemand. Echt gute Idee, Junias, du bist genial.“
Junias verschränkte die Arme vor der Brust, gab sich Mühe, nicht wie ein trotziges Kind auszusehen und erwiderte lediglich ein trockenes „Haha“.
Obwohl Mitternacht vorbei war, war in der Hotelbar noch einiges los. Junias musste auf der Herrentoilette versteckt nicht lange warten, bis jemand eintrat, der so angetrunken war, dass ein kurzfristiger Ohnmachtsanfall nicht auffallen würde. Dennoch verließ er die Bar nach dem Kraftraub sofort und ließ Jamian und Sinead allein vor ihren Gläsern sitzen. Sein Kiefer kribbelte und er wollte lieber keinen Menschen mit ansehen lassen, wie die blauviolette Färbung so rasch verblasste, dass man dabei zusehen konnte.
Nach dem Prana-Raub ging es ihm besser. Die Blessuren waren nicht ganz verschwunden und noch deutlich zu spüren, aber wenn er bedachte, wie brutal er vor wenigen Stunden zusammengeschlagen worden war, staunte er, wie schnell sein Körper heilte.
Die Erinnerungen an das Erlebnis waren eine andere Sache. Junias fröstelte. Zwar hatte er schon die eine oder andere Schlägerei hinter sich gebracht, aber derart zugerichtet hatte man ihn nie. Nie hatte er sich so hilflos gefühlt, nicht einmal vor seinem Wandel, als er schwächlich gewesen war.
Ein widerliches Gefühl. Nicht wert, darüber nachzudenken und erst recht nicht wert, sich davon
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