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Stolen Mortality

Stolen Mortality

Titel: Stolen Mortality Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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„der hat Angst vor dir und das Weite gesucht.“
    „Das heißt, wir sind allein.“ Sie strich über seine Wangen. Die Haut über dem rechten Wangenknochen fühlte sich seltsam an; rau und grießig, als befänden sich winzige Steinchen oder Sand darunter. Das war am Tag zuvor noch nicht der Fall gewesen. Doch Laine fragte nicht, was passiert war, ließ ihre Hände in seinen Nacken gleiten und zog ihn langsam zu sich.
    „Wer braucht Tugend, sofern er das hier haben kann ?“
    Nur für einen Moment war der Kuss neckisch, ehe sie sich fordernder an seinen Körper schmiegte, ihn gegen den Kotflügel des Wagens drückte. Das alles war schon lange kein Spiel mehr und sollte sich allem Vergnügen zum Trotz auch nicht so anfühlen.
    Mit leisem „Schsch“ zog er sich ein Stück von ihr zurück und wies mit einem Blick in Richtung der Ruine. Er griff auf den Rücksitz und zog eine dunkelblaue Wolldecke hervor. Wie ein Umhang warf er sie sich um die Schultern und klappte den Saum zum Stehkragen hoch.
    „Geleitet mich in mein Schloss, teuerste Mina“, sagte er mit Grabesstimme.
    „Obacht, werter Herr Draculaverschnitt . Euer Vorbild endete höchst tragisch.“ Die Antwort besaß einen wahren Kern. Laine wandte sich ab, damit er ihrem Gesicht nichts ansah, und überquerte die Wiese. Die Gräser und wilden Blumen reichten ihr bis zur Hüfte. Feuchtigkeit durchdrang ihre Schuhe, sog sich in den Saum ihrer Hosenbeine und kroch langsam bis zu ihren Knien hoch. Lebendige Gerüche erfüllten die Luft: der Duft der Blüten, die Frische von Gras und der herbe Geruch von wilden Kräutern. Süß und schwer roch Laine die reifenden Brombeeren , und wenn sie sich konzentrierte, konnte sie auch den mineralischen Geruch des Wassers aus dem Bach wahrnehmen.
    Die Kirche war klein gewesen und viel stand nicht mehr von ihren Mauern. Der Turm war längst vergangen, nur ein Haufen aus zertrümmerten Steinen an der Nordseite des verfallenen Gebäudes zeugte davon, dass er einmal da gewesen sein musste. Von den Grundmauern stand nur noch die hintere. Durch zwei kahle, bogenförmige Fenster im grauen Stein blickte der dunkelblaue Himmel. Auch der Torbogen war noch erhalten, die anderen Mauern gingen Laine nur noch bis zur Brust oder zur Hüfte. Über Jahre hatte das Wetter auf sie eingewirkt und die Steine eben und silbrig gewaschen. Nur an der Westseite waren die Gemäuer mit Moos und Netzen auf Flechten bedeckt.
    Es fiel ihr schwer, durch den Torbogen zu treten. Der Ort schien von einer merkwürdigen Aura umgeben und diese hatte nichts damit zu tun, dass es einmal ein Gotteshaus gewesen war. Irgendetwas mutete Laine hier seltsam an. Fast, als wäre eine Art Präsenz in diesen Mauern zu fühlen. Etwas Uraltes. Unsichtbare Augen im Stein.
    Gefährlich? Ja, vielleicht. Aber nicht akut bedrohlich.
    Laine zog sich das Band aus den Haaren, weil der straffe Zopf an ihren Schläfen zog. Sie fühlte sich von etwas festgehalten, was nicht da war. Nicht mehr. Oder noch nicht?
    Im Inneren der Ruine wucherte Gras auf dem Boden, Löwenzahn und Pilze hatte n sich erdreistet, sich in den Fugen niederzulassen und erfüllten die Ruine mit ihren Gerüchen. Laine fuhr mit den Fingern an einer niedrigen Mauer entlang. Glatte Steine, wie poliert. Sie hatten noch ein wenig Wärme des Tages gespeichert.
    „Du siehst aus, wie einem Victoria-Frances-Gemälde entsprungen“, sagte Jamian. Erschrocken sah sie auf. Sie war so versunken gewesen, dass sie sein Näherkommen nicht wahrgenommen hatte.
    „Dafür hab ich deutlich zu viel an. Die sind doch immer halb nackt und haben Flügel.“
    „Eine Romantikerin also. Interessant.“
    „Wer? Ich? Wie kommst du darauf?“
    „Du würdest diese Bilder nicht kennen, wenn du es nicht wärst.“
    War da etwas dran? Sie musste lächeln. „Glaub, was du glauben willst.“
    „Wäre ich sonst hier?“ Jamian legte die Decke über die Mauer, flankte ungerührt darüber hinweg und kam neben ihr zum Stehen. Was immer in diesen Mauer n versteckt lag, er schien es nicht zu spüren und Laine schüttelte die Beklemmung ab.
    „Du hast also zu viel an, sagtest du.“ Aufreizend langsam näherten sich seine Finger dem obersten Knopf ihrer Bluse. Sein Provozieren bettelte um Gegenwehr.
    „Finger weg!“, schalt sie, klapste ihm auf die Hand und wich bis zur hinteren Wand zurück. „Ganz so einfache Beute bin ich auch nicht.“
    Er warf ihr ein verschlagenes Lächeln zu. „Und ob.“ Mit einer fließenden Bewegung, in der er sich zur

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