Stolen Mortality
auf!
Die Haut gab ihren scharfen Zähnen sofort nach und ließ das Blut aus zwei winzigen Schnitten in ihren Mund laufen.
Jamian stöhnte auf. „Was … was tust du?“, hauchte er bei halbem Bewusstsein und versuchte , sich aufzurichten. Sein Atem wurde hastig, sein Herzschlag unruhig und der Blutfluss stärker. Wie blind tastete seine Hand nach ihr.
Trotz allem immer noch liebevoll, und genau das war es, was ihr das Herz zerriss.
Er drückte sie von sich. Zwei feine Rinnsale rannen weinrot über seine Kehle und das Schlüsselbein, teilten sich und liefen in einem verästelten Muster seine Brust hinab. Vielleicht hätte er sich verteidigen können, doch er machte den Fehler, sie loszulassen, um nach der Wunde zu greifen. Das Blut an seinen Fingern sah in der Dunkelheit schwarz aus. Sein Blick schien ebenso schwarz, als er sie anstarrte.
„Es ist alles in Ordnung. Du träumst.“ Sanft umfasste sie seinen Nacken, senkte die Stirn an seine. Zu sprechen war unnötig, er wäre auch ohne Worte gleich nicht mehr in der Lage, sich zu widersetzen. Doch die Verunsicherung flackerte in seinen Augen, außerdem Misstrauen, und das störte Laine beinah mehr als die Tatsache, dass sie dieses Misstrauen mit Zärtlichkeit zu brechen vermochte. „Ganz ruhig, vertrau mir.“ Sie küsste ihn und hinterließ seine Lippen rot von seinem eigenen Blut.
„Was tust du? Laine.“ Seine Stimme war kaum noch zu hören.
„Nichts. Du träumst nur. Merkst du es nicht? Es tut nicht weh.“
Damit senkte sie erneut den Mund an seinen Hals, wo sich die kleinen Wunden bereits schlossen. Er sog mit einem leisen Zischen Luft zwischen den Zähnen ein, als ihre Fänge erneut das Fleisch zerschnitten, doch er wehrte sich nicht. Er konnte sich nicht mehr wehren, es war zu spät. Nur seine Hand fuhr in ihr Haar. Als wäre es nichts als ein Kuss.
Laine entfuhr ein Seufzen, begleitet von Scham. Verrat sollte bitter schmecken, nicht süß. Das Leben war selten fair.
Mehr und mehr Blut rann ihre Kehle hinab. Sein Kopf sank ihm schwer in den Nacken, seine Hand fiel hinab und raschelte im trockenen Gras. Sein Bewusstsein schwand.
Laine schloss seine Wunden und strich ein letztes Mal sein verschwitztes Haar zurück. Sie musste lächeln. Er lag da , als würde er tief schlafen. Nur die bleiche und zu kühle Haut verriet, dass dem nicht so war.
Und das von ihrem Haar verwischte Blut auf seiner Brust. Es ließ seinen Körper aussehen, als wäre eine Bestie über ihn hergefallen. Laines Lächeln wurde kalt.
Sie sammelte die nassen Kleidungsstücke ein. Aus seiner Jeans nahm sie den Autoschlüssel, sein Handy hatte er ohnehin im Wagen liegen gelassen.
Als sie den Mini startete und zurück Richtung Glen Mertha lenkte, hatten nur wenige Gedanken Platz in ihrem Kopf:
Jamian ist in Sicherheit. Jonathan wird ihn nicht töten.
Nicht ihn.
Mitternachtsschatten
Ein wenig Mondlicht schimmerte durchs Wohnzimmerfenster. Junias brauchte kein elektrisches Licht, er hatte die Angewohnheit, bei Dunkelheit eine Lampe einzuschalten, schon längst abgelegt. Ab und an machte ihm das Angst, denn er merkte, dass er mit den alten Gewohnheiten auch Teile seiner Menschlichkeit verlor. Heute gab es für ihn nichts zu verlieren.
„Okay , Amy, dann nehme ich dich morgen nach der Schule direkt mit zu mir.“ Er grinste breit beim Gedanken an ein paar enge Kurven auf der Strecke und war erleichtert, dass sie das über Telefon nicht sehen konnte. „Ich koch dann auch was.“
„Du kannst kochen?“ Amy klang skeptisch.
„Ziemlich gut“, versicherte er und fand das nicht mal übertrieben.
„Ich bin gespannt. Ach du dicke Backe, guck mal auf die Uhr, wie spät wir es haben. Ich muss ins Bett, wenn ich morgen nicht auf dem Tisch einschlafen will.“
„Okay, bis morgen. Ich … vermiss dich.“ Junias drückte den Hörer fester gegen sein erhitztes Ohr. Das Grinsen hatte sich bei dem langen Telefonat auf merkwürdige Weise in sein Gesicht gefressen, seine Wangen fühlten sich schon richtig verkrampft an.
„Tha gaol agam ort“, flüsterte Amy.
„Was heißt das nun wieder?“
„Rate doch. Du hast bis morgen Zeit. Gute Nacht, Junias.“
Erwidern konnte er nichts mehr, sie hatte schon aufgelegt.
Er stellte das Telefon zurück in die Ladestation und schlenderte zum Kühlschrank, holte sich ein Eis aus der Tiefkühltruhe und warf sich damit aufs Sofa.
Es war eine Ewigkeit her, seit er sich das letzte Mal abends auf den nächsten Tag gefreut hatte. Er fühlte sich
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