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Stolen Mortality

Stolen Mortality

Titel: Stolen Mortality Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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vertrauten Duft der Wolle, die in allen Ecken der Hütte gelagert wurde.
    Die Kerze auf dem Tisch wurde entzündet und leuchtete auf, schien auf das Gesicht des Mannes, der dort auf Vaters Stuhl saß. Sein Mund war blutverschmiert. Sie hoffte, dass ihre Eltern sich gewehrt und ihn verletzt hatten . Im schwachen Licht gaben sich die Umrisse der beiden am Boden liegenden Körper zu erkennen, doch sie sah schnell weg.
    Nur Hüllen, redete sie sich ein. Mutter und Vater sind im Paradies.
    Sie starrte an die Holzwände, an denen nun die Mitternachtsschatten spielten. Sie hatte die Nacht nie gefürchtet. Die Schatten, in denen andere Mädchen dämonische Fratzen sahen, hatten sie immer fasziniert. Stundenlang konnte sie den Bildern zusehen, die von ihnen gemalt wurden, wieder schwanden und neu erschienen. Bilder wurden zu Geschichten, die ihr die Geister erzählen wollten. Und sie lauschte ihnen.
    Heute erzählten sie ihr von Tod. Von Verlust und Ewigkeit.
    Sie schloss die Augen und presste Niamhs kleinen, warmen Körper an ihre Brust, als sich der Mann vom Stuhl erhob. Er kam näher. Die Schatten, die er warf, schrien ihr Warnungen zu. Mit einem plötzlichen Ruck wurde ihre Schwester von ihr weggerissen.
    „Niamh!“, schrie sie und sprang auf die Füße. Ihre Hände griffen ins Leere. Der Mann war mit einem unfassbar schnellen Sprung an die andere Seite der Hütte zurückgewichen. Ihre Schwester lag starr und stumm vor Schock in seinen Armen. Sie blickte sie direkt an. Schmerzhaft bohrten sich verständnislose grüne Augen tief in ihre eigenen. Dann wimmerte das kleine Mädchen ein einziges Wort.
    „Elaine.“
    Sie spürte die Angst einem nie da gewesenen Zorn weichen, als sie sah, wie herausfordernd der blutverschmierte Schurke sie anblickte. Fahrig strich sie sich das strähnig gelockte Haar aus dem Gesicht und hob das Kinn. Um die leblosen Körper ihrer Eltern nicht ansehen zu müssen, sah sie ihm direkt in die Augen.
    „Lass meine Schwester gehen!“
    Sein Blick glitt musternd über ihren Körper. Es erfüllte sie mit Scham, da sie nur im Hemd dastand, aber sie presste nur die Fäuste fester zusammen.
    „Was gibst du mir dafür?“ Seine besudelten Lippen streiften Niamhs Stirn und hinterließen eine schmierige Blutspur. Das Mädchen sank mit einem Mal entspannt in seinem Arm zusammen, als wäre sie einfach eingeschlafen. Ihr Gesicht fiel an seine Brust.
    „Was willst du haben? Du kannst alles haben, wenn du meine Schwester verschonst. Sie ist doch erst zwölf Jahre alt.“
    „Und wenn ich dich will?“
    Sie kämpfte gegen erneute Tränen an. Und verlor. „Werde ich sterben?“
    Er lachte leise. Kein hämisches Lachen, sondern warm und wie aus wahrer Freude heraus. Sein Blick aus dunklen Augen schien ihr bewundernd. Beinahe liebevoll. „Nicht, wenn ich es verhindern kann. Es würde mich traurig machen, dich sterben zu sehen, denn du bist ein mutiges Mädchen. Und deine Augen sind schön. Zu schön, um zu brechen.“
    Die Worte ihres Vaters hallten in ihrem Kopf wider. „In deinen Augen sehe ich die Heimat, Mädchen“, hatte er manchmal gesagt. „Sie zeigen mir Irland, wenn die Sonne auf regensatte Wiesen scheint.“
    Sie hoffte, dass der Himmel von Gras bewachsen war und dort immerzu die Sonne schien, wie ihr Vater es so liebte. Ob es dort Schafe zu hüten gab, Wolkenschafe im Himmel?
    „Ich werde alles tun, damit du leben wirst“, sprach der Mann weiter. „Aber versprechen kann ich es nicht.“
    Sie verbot sich das Denken, sagte einfach die Worte, die gesagt werden mussten. „Lass sie gehen. Nimm mich.“
    „Dann bist du bereit, an ihrer statt den Tod zu finden?“
    Sie schrie auf, als er ganz plötzlich neben ihr stand und direkt in ihr Ohr flüsterte. Hastig durchmaß ihr Blick die Kate. Wo war ihre Schwester?
    Er wies mit dem Daumen nachlässig in eine Ecke. Sein Atem berührte ihre Wange. Er war kalt wie der Nachtwind.
    Ihre Mitternachtsschatten wiegten sich träge und traurig an den hölzernen Wänden. Sie erinnerte sich daran, wie sie mit ihnen gespielt hatte. Wie Niamh mit ihnen gespielt hatte.
    „Ja.“
    Mit sanfter Gewalt umfasste der Mann ihren Körper, drückte ihren Kopf zur Seite und küsste, aus einem Grund, den sie nicht ansatzweise verstand, ihre Kehle. Sein Mund war eisig und doch zart.
    „Du wirst keine Schmerzen haben“, flüsterte er an ihre Haut und sie spürte, dass er es ernst meinte.
    Doch er hatte sich geirrt. Der Kuss, oder was immer es auch war, tat mit einem Mal weh.

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