Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stolen Mortality

Stolen Mortality

Titel: Stolen Mortality Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
Vom Netzwerk:
Entsetzlich weh.
    Die Mitternachtsschatten an allen vier Wänden kämpften so lange erfolglos gegen den Vampir, wie Elaine es tat.

    *
    Laine riss den Kopf hoch und umfasste ihre Kehle mit beiden Händen. Ihr Puls raste, sie spürte, wie sie zitterte und Tränen über ihr Gesicht liefen.
    Eine Minute gab sie sich, um das tapfere, mutige Mädchen zu beweinen, das sie einst gewesen war.
    Das Mädchen Elaine, das von Jonathan getötet worden war, damit er aus ihrem Körper den Vampir Laine schaffen konnte. Das Mädchen von achtzehn Jahren, das Jamian in ihr gesehen hatte, einfach nur, weil er es hatte sehen wollen. Das Mädchen, das auch Junias für einen Moment in ihr gesehen haben musste. Junias, der so sensibel sein musste für die Gedanken der Vampire. Dass er sie nach der Wandlung in die Unsterblichkeit würde lesen können, als wären sie offen dahingeschrieben , daran bestand für Laine kein Zweifel mehr. Er berührte ihre Gedanken ja jetzt schon, auch wenn er sie noch nicht verstehen konnte. Wie ein Kind, das verblasste Buchstaben mit dem Finger nachzeichnete, ohne dass es wusste, was die Zeichen bedeuteten.
    Wenn in ihrem Inneren noch ein letzter Rest von diesem Mädchen übrig war, dann musste Elaine ihr helfen. Laine musste Jonathan gegenübertreten und das konnte sie nicht allein.

Was sind schon Engel?

    Die Straße wand sich in obskur geschwungenen Kurven über die letzte Hügelkuppe hinweg, die Laine von Kingussie trennte.
    In diesem Land gab es kaum eine gerade Straße. Vielleicht, weil Schottland zu schön war, um auf dem schnellsten Weg durchquert zu werden. Sie hielt am Straßenrand, wenige Meter von einem brackigen Tümpel entfernt. Froschlaich und Entengrütze erweckten den Anschein, es würde sich statt Wasser um eine zähflüssige Masse handeln, doch das war nur der oberflächliche Eindruck. Das Gewässer war tief, das verrieten die Wasserpflanzen, die aus ihm hervorlugten . Laines Entscheidung stand fest. Und dennoch zögerte sie und wog den USB-Stick noch eine Weile in der Hand. So ein kleines Ding, aber die darauf gespeicherten Wahrheiten besaßen gewaltige Macht.
    Sie warf diese Wahrheiten aus dem geöffneten Fenster, ehe die Zweifel ausreichend Kraft sammeln konnten, um sie zu überzeugen. Mit einem schmatzenden Geräusch durchbrach der Stick die schleimige Barriere aus Laich und ging gluckernd unter. Mit ihm versank Junias ’ Geheimnis und zugleich jeder Beweis, der Jamian im schlimmsten Fall das Leben retten konnte.
    Laine umklammerte das Lenkrad so fest, dass der Kunststoff unter ihren Händen knirschte, und fuhr weiter. Auf dem höchsten Punkt des Hügels bremste sie noch einmal ab und ließ den Blick aus dem Fenster schweifen.
    Wenn sie nach rechts blickte, konnte sie das Städtchen Kingussie überblicken. Zu dieser nachtschlafenden Zeit beleuchteten nur wenige Laternen und die Lichter ein paar einzelner Fenster die Häuser und Straßen. Dennoch sah sie bereits die Schienen, auf denen zu dieser Zeit keine Züge verkehrten. Den Bahnhof, ein unscheinbares und in die Jahre gekommenes Gebäude, erkannte sie an der schlanken Fußgängerbrücke, die für dieses Land untypisch zweckmäßig und wenig ansehnlich aus blankem Metall erbaut worden war. Sie diente keinen ästhetischen Gründen, sondern einzig und allein dem Grund, dass Menschen schnell von einer Seite der Schienen zur anderen gelangen konnten. Wie es so signifikant geworden war für die immer eilenden Menschen. Sie rannten gegen die Zeit.
    Beim Blick in die andere Richtung überkam Laine eine tiefe Melancholie. Bis zum Horizont, der von den Bergen begrenzt wurde, lag nichts als beinah unberührte Natur vor ihr. Wie ein Flickenteppich aus allen Facetten der Farbe Grün. Hell war es dort, wo Wiesen und Weiden lagen, tief und satt da, wo Misch- und Laubwälder ihren Platz hatten. Die Heide schimmerte fast Türkis und die Nadelwälder wirkten im Mondlicht petrolfarben . Selbst die Seen schimmerten bei Nacht in einem Farbenspiel aus Schwarz und Grün und warfen das Glitzern der Sterne wie zum Gruß zurück in den Himmel. Kleine Siedlungen schmiegten sich friedlich an die Hänge oder duckten sich in die Täler.
    Glen Mertha versteckte sich besonders tief, es hatte viel zu verbergen.
    Für einen Moment fragte sich Laine, welche Eindrücke und Farbnuancen ihr dieses Land wohl noch gezeigt hätte, wenn sie nur länger hiergeblieben wäre. Ausgerechnet ihr war die Zeit zu knapp geworden. Vielleicht die Strafe, hatte sie doch so viele

Weitere Kostenlose Bücher