Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stolen Mortality

Stolen Mortality

Titel: Stolen Mortality Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
Vom Netzwerk:
musste den Kopf gesenkt schräg halten, um einen Blick in ihre Augen zu stehlen und sie ein schiefes Lächeln sehen zu lassen. „Dann lass uns beide heute Abend freimachen , okay? Wir ignorieren, wer wir sind. Vergiss mal Vampire und Wächter und all den Mist. Wir sind heute zwei junge Leute, die gemeinsam den Abend verbringen. Stinknormal. Lass uns einfach so tun, als wären wir ’s . Wie alt warst du, als du … Na, du weißt schon.“ Was für ein Fettnäpfchen! Er konnte sie doch nicht fragen, wie alt sie bei ihrem Tod gewesen war.
    „Als ich verwandelt wurde? Das weiß ich nicht.“ Ihre Lippen lächelten unbekümmert, aber ihre Augen taten es nicht. „Ich habe keine Erinnerungen.“
    „Gar keine?“ Die Vorstellung war erst unvorstellbar. Dann schmerzhaft. Er betrachtete ihr schmales, fast zerbrechlich wirkendes Handgelenk und spürte ihren Puls schwach unter seinen Fingern. Tot oder nicht, ihr Herz schlug. Darin sollte nichts von dem übrig geblieben sein, was sie einst ausgemacht hatte? Konnte er es ihr verübeln, sterbliche Leben so wenig zu schätzen, wenn sie keinerlei Erinnerungen an ihr eigenes hatte?
    Wie auch immer die Antworten auf diese Fragen lauteten, klar war nur eins: Ihr hatte man viel mehr gestohlen als ihm.
    Es bereitete ihm Mühe, die Gedanken abzuschütteln. Aber für heute wollte er sie nicht. Nur einmal noch vergessen, wer er war.
    „Ich schätze dich auf etwas jünger als ich es bin“, sagte er in belanglosem Ton. „Sagen wir, du wärst achtzehn.“
    „Achtzehn?“ Laine schürzte die Lippen. „Warum nicht siebzehn? Jamian, warum grinst du so dreckig?“
    „Sei achtzehn. Ich hätte dich einfach lieber volljährig. Natürlich nur, weil ich weiß, dass du Auto fährst.“
    Ihr Lachen hatte einen Unterton, den er noch nie gehört hatte. Er sollte nicht zu hoffen wagen, dass dieser Unterton auf Ehrlichkeit hindeutet e . Und tat es trotzdem.
    Sie widersprach nicht länger, als er sie an der Hand hinter sich herzog und aus dem Wald führte. Der Weg führte zwischen den dichten Nadelbäumen hindurch auf offenes Heideland. Jamian blieb wie gebannt unter den letzten Fichten stehen, deren Äste sich ineinander verhakten wie Finger und eine Art natürlichen Torbogen bildeten.
    Der Himmel gleich über ihnen war von schiefergrauen Regenwolken schwer verhangen. Vom Wind geneigter Regen klatschte in dicken Tropfen zu Boden und hatte ihre Kleidung innerhalb weniger Sekunden durchnässt. Im Westen jedoch war die Wolkendecke weit aufgerissen. Die untergehende Sonne warf goldene Strahlen mit all ihrer Kraft quer durch das Land. Es sah aus, als streck t e Gott die gespreizten Finger bis zur Erde hinab, und malte glitzernde, grüne Streifen auf die dunkel daliegenden Wiesen, Moore und Wälder.
    Für den Moment wusste Jamian wieder, warum er seine Heimat liebte. Das Bild war perfekt in seiner Unbeständigkeit, würde in wenigen Minuten schon von der nächsten Wolke und einem Windstoß verwaschen werden. Aber er hatte es gesehen. Er und Laine und sonst niemand. Das Bild war ewig, egal , wie schnell es verschwand. Konnte es anderswo auf der Welt solche Szenarien geben, wie sie hier ganz beiläufig in die Landschaft gezeichnet wurden? Der Künstler in Jamian war augenblicklich hellwach und hätte am liebsten laut nach Ölfarben und einer Leinwand verlangt. „Sieh dir das an. Das Zusammenspiel von Licht und Finsternis, von Sonne und Regen.“ Er warf Laine einen Blick zu und wollte im gleichen Moment etwas ganz anderes malen. „Gold und Grün.“
    Laines Gesicht war finster, aber ihre Augen leuchteten. Sie rückte näher an ihn heran, doch er erkannte sofort, dass das Szenario sie nicht durch seine Romantik beeindruckte.
    „Wunderschön“, sagte sie tonlos. „Wunderschön und schrecklich. Gefährlich.“ Laine zitterte und er schloss unweigerlich seine Arme um ihren Körper und zog sie an sich.
    „Schöne Dinge sind gern gefährlich“, flüsterte er dicht an ihrem Ohr. „Sie müssen sich ja schützen.“ Wie du, wollte er sagen. Doch da drehte Laine ihm das Gesicht zu , und ehe er sich versah, trafen seine Lippen auf ihre. Für einen Moment blieb sie bewegungslos und fast fürchtete er, zu weit gegangen zu sein. Doch als er zaghaft den Mund öffnete, spürte er ihre Zunge bereits kühl und köstlich an seiner Unterlippe. Die kleine Berührung ließ ihn alle Zurückhaltung vergessen. Laine schnappte nach Luft, als er sie heftig noch näher an sich zog und sie stürmisch küsste. So stürmisch,

Weitere Kostenlose Bücher