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Stollengefuester

Stollengefuester

Titel: Stollengefuester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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Er war Feuer und Flamme, bevor er ging. Man müsse endlich über Qualität reden, und zwar bevor die Welt vor die Hunde gehe. Er hat das mit diesen Worten gesagt.« Bärfuss schmunzelte. »Dafür werden Millionen ausgegeben, deshalb ist das eine wichtige Angelegenheit, verstehst du? Qualität sei eine Frage der Definition, hat er mir erklärt. Und für solche Definitionen reiche ein durchschnittlicher Menschenverstand leider nicht.«
    »Das heißt, er definiert, was Arbeitsqualität ist.«
    »Wer sonst. Er hat mir befohlen, dich in Handschellen zu ihm ins Büro zu schleppen, wenn du …«
    »… wenn ich übermütig werde und versuche, meine Arbeit zu machen«, unterbrach sie ihn. »Nein, wenn ich versuche, die Qualität meiner Arbeit mit tatsächlicher Arbeit zu sichern.«
    Er lachte widerwillig. »Qualitätssicherung, ein unglaubliches Wort! Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Aber sie müssen halt über etwas reden, diese Kerle, oder? Mit netter Sicht auf den Lago Maggiore und qualitativ hochstehendem Essen sollte das angenehm sein. Da lässt sich bestimmt sehr leicht über Qualitätsarbeit plaudern. Morgen ist es wieder etwas anderes. Aber sie könnten ja etwas viel Dümmeres tun, nicht wahr?«
    »Stimmt. Falls es nötig wird, kannst du ihn daran erinnern, dass ich Ferien habe«, sagte sie. »Ich habe immer noch ein bisschen Hoffnung, dass es sich in diesem Fall um eine Art Ferienjob handelt.«
    »Das glaubst du ja selber nicht«, widersprach er. »Letztes Jahr hättest du diese Sache nicht abschließen können.« Er schaute sie einen Augenblick schweigend an. »Auch wenn du geredet hättest. Die Zeit war nicht reif dazu. Die beiden Morde waren nicht zu verhindern, von niemandem. Es gibt Mörder, die glauben, Gott spielen zu können. Auf der anderen Seite gilt das für uns genauso wenig. Die allermeisten Morde sind nicht zu verhindern. Wir können nicht Gott spielen. Das ist blanker Unsinn! Wir müssten verzweifeln daran. Unser Ziel ist immer nur ein bisschen mehr Gerechtigkeit.« Er verstummte.
    »Entschuldige«, fuhr er dann mit leiser Stimme fort, »ich denke laut. Aber man muss immer wieder ganz verdammt bescheiden werden. Ich wünsche euch gutes Gelingen in Amsterdam.«
     
    Als Nore Brand das Büro von Bastian Bärfuss verließ, hallten seine Sätze in ihr nach.
    Man muss immer wieder ganz verdammt bescheiden werden. Ganz verdammt bescheiden werden.
    Und man musste sich klein und unsichtbar machen, versuchen, die Zeichen zu lesen, Spuren aufzunehmen, und irgendwann war man zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Dann musste man Ruhe bewahren, nichts überstürzen. Warten, bis der andere einen Fehler machte.
    Wer viel zu verlieren hatte, machte eher früher als später einen Fehler. Und wer wenig zu verlieren hatte, konnte sich ruhig Zeit lassen damit.

Ab nach Amsterdam
     
    Kurz vor neun eilte Nore Brand durch den Berner Hauptbahnhof Richtung Gleis 7.
    Nino Zoppa streckte ihr einen Becher mit Kaffee entgegen.
    »Einen doppelten Espresso. Zweimal Zucker und zweimal Rahm. Alles drin und gut verrührt.«
    Das war der Dank dafür, dass sie sich hatte überreden lassen, mit dem Zug zu fahren. Es konnte nur das sein und Nino wusste nichts davon. Er hätte sie sonst nicht so unbeschwert angegrinst.
    Er stand ohne Tasche da. Er hatte sein Reisegepäck auf die unzähligen Taschen seiner weiten Jacke verteilt.
     
    Eine Stunde später trafen sie in Basel ein.
    »Wetten, dass heute Nacht keine reiselustigen Mäuse mitfahren«, witzelte er, »es ist keine Reisezeit für kleine, graue Vierbeiner. In dieser Kälte!«
    Mit der hochgeschlagenen Kapuze sah er aus wie ein brauner Mönch.
    Es war ruhig auf dem Perron. Keine Reisezeit, keine Reisenacht, vor allem nicht nach Norden.
    Endlich fuhr der Zug ein. Der Schaffner des CityNightLine, ein rundlicher Dreißiger, hatte gute Manieren, er begrüßte sie, als hätte er den ganzen Tag nur auf diesen Augenblick gewartet.
    Es hatte sich nichts geändert. Die Waggons waren neu, aber die Atmosphäre im Schlafabteil war schon muffig. Trotz der Desinfektionsmittel. »Ich schlafe überall wie ein Stein«, behauptete Nino und verzog sich. Er hatte sich einen Platz im Liegewagen reservieren lassen.
    »Morgen früh um neun sind wir in Amsterdam«, informierte der Schaffner. »Vielleicht gibt’s ein bisschen Verspätung. Eine größere Baustelle kurz vor Amsterdam.« Er zuckte mit den Schultern. »Überall das Gleiche, oder? Darf ich Ihren Pass und die Fahrkarte haben? Danke

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