Stollengefuester
kenne das Gefühl ja nur zu gut.« Sie sagte das mit leiser Stimme. Es gab nicht den geringsten Grund für ein Triumphgefühl.
Bastian Bärfuss nickte nachdenklich. »Das könnte dein Problem werden.«
»Ist es doch schon.«
Sie schwiegen.
Es war Bastian Bärfuss, der die Stille unterbrach.
»Ich hoffe, du erinnerst dich an deinen Schreck. Dass da plötzlich Geheimdienste im Spiel waren. Ich will dich nur an die Tatsache erinnern, dass diese Geschichte jetzt eine Nummer größer wird. Möglicherweise mehr als nur eine Nummer.«
Sie entsann sich genau. Doch der große Schreck war in dem Moment vergangen, als sie begriff, dass diese Geheimdienstler Hampelmänner waren. Geheimdienstler waren genaugenommen immer nur Hampelmänner, Spielpuppen. Sie konnten sehr gefährlich sein. Man musste nur die Drähte zu den Mächten, denen sie angehörten, durchschneiden, dann fielen sie leblos in sich zusammen. Doch wo war die passende Schere?
Sie erhob sich, ging zum Fenster und setzte sich auf den Radiator.
Sie stutzte. Dieser da war warm! Heiß sogar! Wie war es möglich, dass der Radiator in ihrem Büro kalt blieb? »Alte Heizungssysteme«, hatte der Hauswart gemeint. »Vielleicht sind Luftblasen drin. Die wärmen natürlich nicht. Versuchen Sie doch mal, die Luft rauszulassen. Das Schlüsselchen liegt in Ihrem Schreibtisch.«
Sie musste das mal ausprobieren. Zu viel Luft im System.
Vielleicht war das tatsächlich die Lösung.
Und vielleicht sogar die Lösung zu diesem Fall.
Bastian Bärfuss hatte sich zu ihr umgedreht.
»Aber viel wissen wir nicht, oder? Wer weiß, vielleicht ist es nichts als irgendeine Gaunerei«, versuchte er, sich zu beruhigen. »Im allerschlimmsten Fall ist es etwas Größeres. Und Unangenehmeres, ja. Möglicherweise hilft Plodowski dir weiter. Du sagst, Elvira misstraue ihm zutiefst.« Er lachte leise. »Ich vermute, dass sie jedem misstraut, dem sie gegen ihren Willen hohe Geldbeträge überweist.«
Nore Brand ging um den Tisch herum und setzte sich wieder hin.
»Ja, so ist es. Frau Ehrsam sorgt für ihre Freunde, auch nach ihrem Tod. Er erhält regelmäßig stattliche Summen. Die genauen Zahlen hat sie nicht genannt. Aber dass es sie dermaßen ärgert, ist ein guter Hinweis auf die Höhe des Betrages.«
Er erhob sich, zupfte das Kuhfell auf seinem Sessel zurecht und setzte sich wieder hin.
Plötzlich zog er einen Zeitungsausschnitt aus der Schublade und legte ihn vor sich hin. »Ich habe da einen interessanten Artikel. Da bemüht sich ein Journalist sehr seriös, den Unterschied zwischen Raubkunst und Beutekunst herauszufinden. Im Zusammenhang mit dem Abkommen von Washington. Man erinnert sich offenbar wieder dran. Hast du das gelesen?«
»Ja. Ich habe zwar nicht viel Ahnung davon, aber meine Antennen habe ich alle ausgefahren. Weit über hunderttausend Kunstwerke sind verschollen. Von namenlosen Verbrechern entwendet.«
Bastian Bärfuss seufzte. »In was für einer Welt leben wir eigentlich.«
Ja, in was für einer Welt.
In Ninos Augen gehörte sogar sie, die Kommissarin Nore Brand, zumindest vorübergehend, zu diesen kriminellen Kreaturen.
»Die Gier nach schönen Dingen. Das kann ich nachvollziehen«, schmunzelte Bärfuss. »Aber ich hoffe doch, dass mein schlechtes Gewissen stärker wäre.« Er zog die Augenbrauen hoch. »Ganz sicher können wir nie sein, oder?«
Sie lächelte. »Jetzt hoffe ich sehr, dass dein Büro nicht verwanzt ist.«
»Und wenn! Den Laufpass würde ich verschmerzen. Er würde mir immerhin meine Freiheit zurückgeben.«
»Das muss ja nicht gerade morgen sein, oder?«
Bastian Bärfuss lächelte immer noch. »Nein. Im Moment halte ich hier die Stellung, bis ihr zwei wieder zurück seid.«
Sie wurde wieder ernst.
»Dass so wenige Personen wie möglich davon erfahren, ist das Wichtigste.«
Bastian Bärfuss nickte. »Klar. Und immer locker bleiben im Kopf, Nore. Du erinnerst dich, die Dinge fügen sich mit der Zeit wie von selbst ineinander. Ohne Kampf und Krampf.«
»Ja, Herr Philosoph, ich bemühe mich drum. In der Ruhe liegt die Kraft«, lächelte sie.
Sie erhob sich. »Ist er im Haus?«
»Er? Nein. Er ist seit zwei Tagen an einem internationalen Kongress in Locarno. In einem bombigen Hotel natürlich. Du wirst lachen. Es geht um die Qualitätssicherung der Polizeiarbeit.«
Sie schaute ihn ungläubig an. »Qualitätssicherung? Und nebenbei sorgt er dafür, dass ich meine Arbeit nicht richtig machen kann. Ist das ein Witz?«
»Nein, leider nicht.
Weitere Kostenlose Bücher