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Stolperherz

Stolperherz

Titel: Stolperherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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Brote wenigstens mit, für den Weg.« Meine Mutter ließ nicht locker.
    Ich hatte mich wieder gefangen. Sollte sie mich doch ins Auto zerren; aber das würde sie nicht wagen. Ich würde nicht fahren. Nicht nach Boltendings noch sonst wohin. Ich ließ mich nicht in ein Haus mit lauter kaputten Existenzen einsperren, die wegen ihrer Krankheiten auch gleich in einem Aufwasch von Psychologen mitbetreut wurden, die einem zu so was Sinnvolles rieten wie: »Sucht euch ein tolles Hobby, das ist immer gut, um neue Freunde zu finden!«
    All diese Ratschläge hatte ich schon tausendmal gehört und ich hatte das alles satt. Ich wollte nicht mehr über mein kaputtes Herz reden, ich wollte es auch nicht »annehmen , wie einen Teil von mir« , noch so ein extrem beliebter Psycho-Rat. Ich wollte normal sein, so wie alle andern, und ich wollte verdammt noch mal nichts mehr mit dieser beschissenen Krankheit zu tun haben. Auch nicht bei guter Meeresluft.
    Lisa hielt mir die eingepackten Toastbrote hin.
    »Heute ist der letzte Schultag vor den Sommerferien«, erklärte ich genervt, »da haben wir eh nur vier Stunden und kein Mensch braucht da labbriges Toastbrot mit Marmelade.«
    »Jetzt nimm sie doch in Gottes Namen mit!«, herrschte mich Lisa an, und dann, etwas leiser: »Ich pack sie dir in den Rucksack.«
    Sie wurde immer schnell nervös, wenn es um meine Ernährung ging. Oder überhaupt um eines ihrer »Projekte«: Haus, Garten, Einrichtung, meine Ernährung, mich.
    Aber der letzte Schultag war unwichtig, das wusste doch jeder. Es wurden hauptsächlich überflüssige Sachen besprochen, Zeit vertrödelt und dämliche Resümees über das vergangene Schuljahr gezogen.
    Nach den Ferien würde ich in die zehnte Klasse kommen, die 10b, und alles wäre trotzdem immer noch genauso wie vorher. Kaum einer von den anderen würde mich wahrnehmen, ich würde mich weiter jeden Tag in die Schule quälen, halbwegs gute Noten haben, zumindest schriftlich. Mündlich war ich weniger gut. Viel zu still, sagten die Lehrer. Die Angst, dass ich keinen Ton rausbringen könnte, wenn ich dran war, floss wohl in die Bewertung nicht mit ein.
    »Ich bin dann mal weg«, sagte ich wie immer, und Lisa antwortete das, was sie immer antwortete: »Hast du deine …?«
    Ich blieb stehen und drehte mich um.
    »Warum?«, fragte ich und sah Lisa direkt in die Augen. Diesmal hielt sie stand.
    »Wir haben uns wohl einfach auseinandergelebt«, erwiderte sie und zuckte mit den Schultern. Ich konnte kein Bedauern in ihrer Stimme erkennen.
    *
    Von der Bushaltestelle aus musste man an den Fahrradständern vorbei, die unter einem großen Wellblechdach längs des Schulhofes entlang aufgestellt waren. Gleichzeitig waren sie aber auch der Treffpunkt der Älteren, die dort rauchten und sich unterhielten. Ich stellte mir oft vor, wie es wäre, wenn ich mich einfach dazustellen könnte und etwas Witziges sagen würde, als ob es das Normalste von der Welt wäre. Oder wenn ich einfach lachen würde wie Kira.
    Heute standen die Jungs von Crystal da, umringt von ein paar Leuten aus den älteren, aber auch aus den jüngeren Klassen. Tobi, der Sänger, mit seinem lässigen Look, den hellblauen Chucks und den immer eng anliegenden T-Shirts, die die V-Figur seines Oberkörpers vorteilhaft zum Vorschein brachten, hielt eine Flasche hoch.
    »Happy Birthday!«, rief Daniel, der Gitarrist, den alle aufgrund seines Nachnamens – er hieß Schneller – nur Schleicher nannten, und prostete Greg zu. Er war hünenhaft groß, blond, bewegte sich behäbig, und sah aus wie ein schwedischer Kapitän, der eben von Bord gegangen war. Er war ebenfalls achtzehn, sah aber mindestens aus wie einundzwanzig. Ich fand, dass sein Spitzname ausgezeichnet zu ihm passte.
    »Auf Greg, die olle Kiste!«, grölte jetzt auch der Keyboarder, Max. Er war sechzehn und der Jüngste in der Runde. »Auf den Achtzehnten!«
    »Alter!«, grölte Greg zurück, »ab jetzt geht’s los!« Schleicher und Greg schlugen zu einem High five ein und Tobi machte es ihnen nach. »Ab morgen rocken wir die Citys!«
    Ich war etwas näher herangegangen, das heißt, meine Füße hatten mich näher zu der feiernden Runde getragen, einfach so.
    »Guckt mal, die Feuerwehr!«, grölte Tobi jetzt und die anderen drehten sich zu mir um.
    Meinte er mich? Oh Mann, meine Haare!
    »Was macht die denn hier?«
    »Genau!«, brüllte jetzt auch Schleicher, »brennt ’s hier irgendwo?«
    Was ich hier machte? Ich wusste es nicht. Was also sollte ich

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