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Stolperherz

Stolperherz

Titel: Stolperherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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immer, im Grunde gar nicht, und ich war unsicher, was das zu bedeuten hatte. Fürs Erste beschloss ich, meine Enttäuschung runterzuschlucken und erst einmal abzuwarten.
    Als Schleicher von Tobi durch einen Schubser dezent dazu aufgefordert wurde, endlich beim Ausladen mitzuhelfen, und Michelle sich mal wieder irgendwo herumtrieb, nutzte ich die Gelegenheit, um Kira nach Schleicher zu fragen.
    »Es ist einfach unbeschreiblich«, erklärte Kira euphorisch und ich konnte ihre roten Wangen förmlich auf ihrem Porzellan-Gesicht glühen sehen. »Er ist so unglaublich sensibel! Das denkt man gar nicht, wenn man ihn so sieht!«
    Das stimmte allerdings. Schleicher wirkte eher wie ein Höhlenmensch und weniger wie ein zart besaiteter Charakter.
    »Aber du bist ja auch nicht gerade zurückhaltend unterwegs«, wechselte Kira zu meinem Leidwesen das Thema. »Und hast gleich zwei Verehrer!« Sie lächelte mich zwinkernd an.
    »So ein Quatsch!«, widersprach ich lachend, »du spinnst!«
    Sie deutete mit Zeige- und Mittelfinger erst auf ihre Augen, dann auf mich, und ich musste erneut lachen. Wir kannten uns kaum, aber seit unserer Shopping-Tour gab es eine Vertrautheit zwischen uns, die ich immer wieder spüren konnte. Kira würde mich, wenn es drauf ankam, nicht hängen lassen, das wusste ich aus irgendeinem Grund.
    »Ich seh einfach besser als du«, sagte sie grinsend. »Man kann nämlich auch zwischen den Zeilen sehen .«
    *
    Die Nachricht des Tages kam am frühen Nachmittag, als ich vom Bäcker gegenüber zurückkam, bei dem ich Käsekuchen für alle gekauft hatte. Gerade, als ich mit meinem nach frischem Gebäck duftenden Pappkarton zu den anderen gehen wollte, hörte ich durch die angelehnte Tür vom Büro einige Gesprächsfetzen zwischen Long John und einem anderen Mann mit. Ich blieb stehen und lugte durch den Türschlitz.
    »Jedes Jahr der gleiche Mist«, beschwerte sich der andere Mann, der ungefähr doppelt so groß war wie Long John und diesen Namen eher verdient hätte. »Da bucht man irgendwelche Greenhorns, um ihnen eine Chance zu geben, und dann so was. Hätte ich mir gleich denken können, wenn eine Vorgruppe schonDead Pants heißt. Kann doch nix sein. Tote Hose, Mann!«
    »Jau«, bestätigte Long John, »kapiert kein Schwein, warum die sich den Gig vor zigtausenden entgehen lassen, und das auch noch als Vorgruppe von One Republic.«
    Hatte ich richtig gehört? Die Vorgruppe von One Republic war abgesprungen und der Mann in Long Johns Büro war einer der Organisatoren des Festivals?
    »Was machst du jetzt?«, fragte Long John.
    »Keine Ahnung. Muss ich halt die Vorvorgruppe länger spielen lassen, obwohl das erst recht echte Pfeifen sind.«
    Manchmal gibt es diese wichtigen Momente, da zeigt einem so eine Art Herzhüpfen, dass man einfach handeln muss. Ich gab mir einen Ruck.
    »Ähm …«, sagte ich und trat durch die Tür. »Tschuldige die Störung, Long John, aber ich kam nicht umhin, einige Dinge gerade mitzuhören …«
    Long John und der andere Mann sahen mich erstaunt an.
    »Du kamst nicht umhin ? «, fragte Long John mit hochgezogenen Augenbrauen.
    »Ganz genau«, bestätigte ich, mich innerlich windend, dass ich das Ganze so umständlich angegangen war. »Ich habe mitgehört, dass Ihnen eine Vorgruppe fehlt«, sagte ich in Richtung des anderen Mannes.
    »Und?«, fragte er mich, »willst du uns etwa vor ein paar tausend Leuten was vorsingen?«
    Er und Long John hielten sich lachend die Bäuche. »Hahaha, ja, das wär doch was, die Kleine singt die Tonleiter, hahaha!«
    »Ehheem«, räusperte ich mich und unterbrach das brummende Lachen, »ich habe da eine viel bessere Idee«, begann ich und fühlte, wie ich immer sicherer wurde. »Eine, die für uns alle von Vorteil wäre.«
    »Da bin ich aber gespannt«, sagte Long Johns Bekannter, stützte beide Arme in die Hüften und sah mich herausfordernd an. »Und wehe, du verschwendest meine Zeit, Kleine.«
    »Ganz sicher nicht«, sagte ich, und schloss die Tür hinter mir.
    *
    Es war einfacher gewesen, den Deal mit Long John zu machen, als ich es mir vorgestellt hatte. Ein Auftritt auf der großen Ostufer-Bühne an der Löwenbastion gegen zwei statt einem Auftritt in der Blues Garage für das gleiche Honorar. Allerdings sangen die Dead Pants ganz entgegen ihrem Bandnamen auf Deutsch, und die Bedingung war, dass der Ersatz-Act das auch konnte.
    Ich wusste, dass der Deal mehr als nur gewagt war, aber in dem Moment war keine Zeit für große Diskussionen. Ich musste

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