Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stolperherz

Stolperherz

Titel: Stolperherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
Vom Netzwerk:
Zeit, lange darüber nachzudenken.«
    »Ich weiß«, sagte Kira. »Aber versuch mal, Greg zu verstehen. Da kommt eine schüchterne Fünfzehnjährige daher und schafft es innerhalb kürzester Zeit, einen so großen Gig an Land zu ziehen, einen, von dem er seit Ewigkeiten träumt. Da wäre ich vielleicht auch in meinem Stolz verletzt, oder so. Gib ihm ein bisschen Zeit, das zu verdauen. Er wird sich noch bei dir bedanken, wart’s ab.«
    Ich überlegte. Vielleicht hatte Kira recht, vielleicht brauchte er einfach Zeit, um die Sache zu verdauen. Und natürlich war ich zu weit gegangen, das wusste ich auch. Aber es war ja für einen guten Zweck gewesen, im Sinne aller. Warum zur Hölle gab es nicht auch für das Leben einen Beipackzettel, genauso wie für meine Medis?
    »Hm«, machte ich und atmete tief aus.
    »Es wusste wirklich niemand, dass er selbst textet, richtig?«, erkundigte Kira sich.
    »Richtig.«
    »Ich denke, dass das der wunde Punkt ist. Es wäre seine Aufgabe gewesen, es den anderen zu sagen.«
    »Ja«, nickte ich, »da hast du wahrscheinlich recht. Es war nur so, dass ich Long John unbedingt überzeugen wollte, die richtige Entscheidung zu treffen.«
    »Verstehe.«
    Ich blinzelte Kira gegen die Sonne an.
    »Deine Wimperntusche ist ganz verlaufen«, sagte sie lachend, »jetzt siehst du aus wie ein roter Waschbär mit Sommersprossen!«
    »Gibt’s überhaupt rote Waschbären?«, fragte ich verschnupft.
    »Ab sofort schon!«
    Jetzt mussten wir beide lachen. Dann reichte Kira mir ein Taschentuch.
    »Komm jetzt, wir helfen den Jungs beim Einladen«, sagte Kira und zog mich hoch. »Das wird schon. Greg wird die anderen nicht hängen lassen. Vielleicht muss er auch erst mal kapieren, dass du nicht das kleine, ängstliche Mädchen bist, für das dich alle halten.«
    Ich blickte zu Kira auf. »Sondern ein roter Waschbär?«
    »Erstens das und zudem auch noch eine schillernde Persönlichkeit«, sagte sie und lächelte mich an. »Und drittens bist du meine Freundin. Ich meine, wenn du das willst.«
    Kira nahm mich von hinten in den Arm und drückte mir einen Kuss auf die Wange. »Los jetzt!« Dann lachte sie laut auf, warf ihren Kopf in den Nacken und stupste mich an. »Keine Zeit, Zeit zu verlieren!«

11. KAPITEL: T RÄUME
    Die Atmosphäre auf dem Festival war atemberaubend, obwohl es erst früher Nachmittag war und der Höhepunkt nicht vor dem Abend erreicht sein würde. Riesige Menschenmassen tummelten sich rund um den langen Maschsee, der zwar künstlich angelegt worden war, wie uns Long John erzählt hatte, aber trotzdem ganz natürlich wirkte. Long John hatte neben der großen Ostbühne auf uns gewartet und uns zusammen mit Carlo in Empfang genommen, der für die Organisation zuständig war. Sound und Licht mussten abgesprochen werden, und Michelle, Kira und ich waren erst mal überflüssig, was Tobi uns eindeutig zu verstehen gab. Greg hatte seine Ankündigung wahr gemacht und war nicht mitgekommen. Die Jungs versuchten ihre Verzweiflung darüber zu überspielen, was ihnen aber nicht besonders gut gelang. Es herrschte eine bedrückende Stille, kaum einer sagte ein Wort.
    Auf einmal stand Lex neben mir.
    »Entropie.«
    »Was?«
    »Reib deine Hände«, sagte Lex und sah mich auffordernd an.
    »Ich verstehe nur Bahnhof.«
    »Na mach schon.«
    Irritiert tat ich, was er gesagt hatte.
    »Was fühlst du?«
    »Wärme?«
    »Ganz genau.«
    »Und das ist jetzt deine Antwort?«, fragte ich nach. Ich wollte nicht wie eine dumme Gans wirken, konnte mir aber absolut keinen Reim darauf machen, was hier gerade ablief.
    »Entropie: Du hast dir die Hände gerieben und somit Wärme erzeugt. Entropie kann man erzeugen, aber nicht mehr vernichten.«
    »Du meinst, was einmal gesagt oder getan worden ist, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden?«
    »Um es ganz hart auszudrücken: Du hast Scheiße gebaut, ja.«
    Betrübt sah ich zu Boden. »Ich wollte nur helfen.«
    »Mach dir trotzdem keine Vorwürfe«, sagte Lex und es klang tröstlich. »Du hast es nur gut gemeint, das weiß ich. Dass Greg jetzt so zickt, ist mehr als nur unangebracht. Die Idee selbst war absolut fantastisch.«
    Er lächelte mich an und die distanzierte Art, die er nach der Nacht im Saunahäuschen und auf der Autofahrt hierhin an den Tag gelegt hatte, schien verflogen.
    »Nicht jeder hier findet die Idee so fantastisch «, sagte ich.
    »Hm«, antwortete Lex, »die Idee ganz sicher. Nur die Ausführung vielleicht nicht.« Er rollte ein Kabel ab, das um seinen

Weitere Kostenlose Bücher