Stolz und Leidenschaft: Roman (German Edition)
das Paddel ins Wasser und ruderte. »Aye .«
Da Nialls Hände gefesselt waren und er nicht rudern konnte, hatte er es sich bequem gemacht, die Füße ausgestreckt und sich an die hölzerne Bootswand hinter sich zurückgelehnt. Die entspannte Haltung war nicht gerade die
eines Gefangenen. »Sie hat Angst. Ich bin sicher, sie hat nicht alles so gemeint, was sie sagte.«
»Ich bin sicher, sie hat jedes Wort so gemeint.« Er sah dem anderen Mann in die Augen. »Sie glaubt, ich habe sie verraten, indem ich Euch nach Dunoon bringe, um Euch für Eure Verbrechen zu verantworten.«
Niall zog eine Augenbraue hoch. »Könnt Ihr ihr da einen Vorwurf machen? Euer Cousin ist nicht gerade für sein Mitgefühl für Gesetzlose bekannt. Und Ihr ebenso wenig, was das betrifft.«
Das konnte Jamie nicht leugnen. Aber schon allein die Tatsache, dass er seinen Cousin bitten würde, sich für Niall einzusetzen, sollte ihr doch sagen, wie viel sie ihm bedeutete. Er wollte glauben, dass sie ihn besser kannte. Dass er, auch wenn er nicht für sein Mitgefühl bekannt war, doch dazu fähig war. Colin würde Argyll unter Druck setzen, aber Jamie war zuversichtlich, dass am Ende Niall Lamont und seinen Männern die Schlinge des Henkers erspart bleiben würde. Es würde seinem Cousin nicht gefallen, aber er würde sein Wort halten. »Mein Cousin ist nicht derjenige, dem zu vertrauen ich sie gebeten habe.«
»Nicht?«
Jamie dachte einen Augenblick lang über die rhetorische Frage nach. »Ihr scheint mein Versprechen der Nachsicht zu glauben.«
Niall zuckte die Schultern. »Was habe ich denn für eine Wahl? Wenn es das Leben meines Bruders oder meiner Schwester wäre, das auf dem Spiel steht, dann kann ich Euch versichern, würde ich anders empfinden.«
Widerwillig musste Jamie sich eingestehen, dass er damit möglicherweise nicht ganz unrecht hatte. Caitrina kannte Argyll nicht so gut wie er – und das, was sie von ihm wusste, trug möglicherweise nicht gerade dazu bei, Vertrauen in seine Nachsicht zu erzeugen.
Aber etwas, das Niall gesagt hatte, beschäftigte ihn. Aufmerksam musterte Jamie das Gesicht des anderen Mannes. Seine Stimme klang wie die eines Mannes, dem es egal war, ob er lebte oder starb. Eines Mannes, der den Glauben an die Welt verloren hatte. Jamie erinnerte sich daran, was Niall ihm über die Schändung seines Mädchens erzählt hatte.
Er konnte sich gar nicht vorstellen, wie Niall Lamont sich fühlen musste. Wenn jemand Caitrina so etwas angetan hätte … Glühend heißer Zorn erfüllte seinen ganzen Körper.
Er betrachtete Nialls stoischen Gesichtsausdruck und wusste, dass unter der Oberfläche rasende Wut kochte. Wut, die einen Mann in die Gesetzlosigkeit treiben konnte. Zum ersten Mal erkannte Jamie, was einen Mann dazu bringen konnte, selbst nach Gerechtigkeit zu streben – jenseits der Grenzen des Gesetzes. Und es war Jamies eigener Bruder gewesen, der ihn dazu getrieben hatte. Zweimal.
Er hasste den Gedanken, dass Colin zu so einer Brutalität gegen eine Frau fähig war, aber er wusste auch, dass Colin nicht so darüber denken würde. Er würde es als Kriegsbeute betrachten, als eine Möglichkeit, den Feind zu beschämen. Viele Männer wären mit ihm einer Meinung.
Angewidert biss Jamie die Zähne zusammen. Er nicht. »Ich kann Euren Zorn verstehen, aber warum die MacGregors? Warum sich mit ihnen verbünden? Sicher wisst Ihr doch, dass sie dem Untergang geweiht sind. Der König wird ihnen das Massaker von Glenfruin nicht vergeben.«
»Die Frau, von der ich gesprochen habe …«
Jamie bedeutete ihm mit einem ernsten Nicken fortzufahren.
»Ihr Name ist Annie MacGregor.«
Jamie fluchte.
»Ich bin mir bewusst, dass manche MacGregors zuweilen …«, Niall räusperte sich, »nicht gerade gesetzestreu waren. Aber was hatten sie denn für eine Wahl, nachdem sie
von ihrem Land verjagt wurden und nichts haben, wohin sie gehen können? Auch ich habe die Härte eines Campbell-Schwerts zu spüren bekommen.«
Jamies Miene verhärtete sich. Seit Hunderten von Jahren war der Streit um Land das Herzstück der immer wieder aufflammenden Fehde zwischen den Campbells und den MacGregors – seit König Robert Bruce die Baronie von Lochawe einschließlich eines Großteils der Ländereien der MacGregors an die Campbells verliehen hatte. »Die MacGregors halten immer noch an einem Besitzanspruch fest, der fast dreihundert Jahre zurückliegt. Irgendwann müssen sie akzeptieren, dass sie dieses Land nicht wieder
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