Stolz und Leidenschaft: Roman (German Edition)
Bruder missgönnte ihm den Platz an Argylls Seite, einen Platz, von dem er glaubte, dass er von Geburts wegen ihm gebührte.
»Wie es scheint, war deine Reise nach Ascog also reine Zeitverschwendung«, fügte Colin hinzu und vergaß dabei bequemerweise, dass er selbst es gewesen war, der Argyll dazu gedrängt hatte, Truppen nach Ascog zu senden, ohne auf einen Beweis für die Komplizenschaft des Lamont zu warten. Colin hielt auf dem oberen Absatz der Treppe zum Wohnturm inne und sah seinen Bruder an. »Wie fandest du die Tochter des Lamont? Ist sie so schön, wie man behauptet?«
Jamies Antwort klang bewusst nüchtern, da er wusste, welche Genugtuung es seinem Bruder bereiten würde, wenn er die Wahrheit wüsste – nämlich dass er das Mädchen gebeten hatte, ihn zu heiraten, und schroff abgewiesen worden war. »Hübsch genug«, entgegnete er, dann wechselte er das Thema. »Ich breche morgen früh auf.«
»Willst du nicht warten, bis unser Cousin ankommt?«
Jamie schüttelte den Kopf. »Nicht, solange die Spur noch heiß ist. Ich werde ihm eine Nachricht hinterlassen.«
Als sie den Turm betraten und in den großen Saal kamen, sah Jamie sich um und bemerkte sofort die bedrückende Atmosphäre. Seit Colins Frau vor ein paar Jahren im Kindbett
gestorben war, wirkte der Ort wie eine Gruft. Obwohl Jamie den Torf der Kaminfeuer riechen konnte, war die Luft feucht und kühl. Nur ein paar der Kandelaber waren angezündet worden, und es gab kaum Anzeichen für Leben. Er hatte erwartet, dass nach Lizzies Ankunft dank ihrer weiblichen Hand der Platz ein wenig freundlicher gestaltet würde. Mit gerunzelter Stirn bemerkte er noch etwas anderes. Lizzie war normalerweise die erste Person, die ihn begrüßte. »Wo ist Lizzie?«
Colin runzelte die Stirn. »Auf Castle Campbell. Wo sollte sie denn sonst sein?«
Jamie verspürte einen Anflug von Beunruhigung und schüttelte den Kopf. »Sie schrieb mir ein paar Tage, bevor ich aufbrach, dass sie herkommen würde.« Er begegnete dem Blick seines Bruders, und keiner der beiden wollte seine Befürchtungen aussprechen. »Inzwischen sollte sie eigentlich hier sein.«
Colins Miene wurde starr vor Zorn. »Das würde er nicht wagen!«
»Es gibt nicht viel, was Alasdair MacGregor nicht wagen würde«, entgegnete Jamie grimmig. »Er ist ein Mann, der nichts zu verlieren hat.« Entschlossen machte er auf dem Absatz kehrt und ging mit langen Schritten auf die Tür zu, durch die er eben erst hereingekommen war, denn er wollte keine weitere Minute verlieren.
Fluchend folgte Colin ihm. »Ich komme mit dir.«
»Nein«, lehnte Jamie ab, dessen Gedanken sich bereits auf die Reise konzentrierten, die vor ihm lag. »Du musst hier sein, wenn Argyll ankommt. Ich werde gehen, aber ich brauche Männer. Meine eigenen sind in diesem Augenblick schon wieder auf dem Weg zurück nach Bute.«
Colin sah aus, als wollte er widersprechen, doch dann schien er einzusehen, dass jemand dableiben musste, um Argyll die Sache zu erklären, und dass nichts Jamie von seinem
Vorhaben abbringen konnte. »Nimm dir, wen du brauchst. Ich werde dafür sorgen, dass Dougal alles vorbereitet.«
Jamie war schon halb die Treppe hinuntergestürmt, als sein Bruder ihm noch nachrief. »Und Jamie …« Er drehte sich um. »Bring mir seinen verdammten Kopf auf einer Lanze.«
Colin war schon immer der blutrünstigere von beiden gewesen, aber diesmal war Jamie mit ihm völlig einer Meinung. »Wenn MacGregor Lizzie auch nur ein Haar gekrümmt hat, dann kannst du dir dessen sicher sein.«
Immer noch aufgewühlt von ihrem Streit mit Jamie und den Geschehnissen, die ihn herbeigeführt hatten, ließ Caitrina sich damit Zeit, zur Burg zurückzukehren. Doch als sie den Saal betrat und den fragenden Blick ihres Vaters auffing, während er mit einigen anderen Chiefs sprach, wusste sie sofort, dass ihr Wunsch in Erfüllung gegangen war: Jamie Campbell war fort.
Einfach so. Als ob das, was zwischen ihnen vorgefallen war, nie geschehen wäre.
Etwas, das sich wie Panik anfühlte, durchzuckte sie, als sie die ungebetene Flut von Gefühlen einzudämmen versuchte. Das war es doch, was sie gewollt hatte. Es lag nur an dem Schock darüber, dass er so schnell aufgebrochen war – unmittelbar nach solch einem alles verändernden Ereignis –, dass sie dieses überwältigende Gefühl von Verlust verspürte.
Ihr graute vor der Erklärung, die sie ihrem Vater geben musste, aber er akzeptierte ihre Entscheidung, Jamie abzuweisen, ohne
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