Stolz und Leidenschaft: Roman (German Edition)
seinen Armen hatte sie alles vergessen, was zwischen ihnen stand. Heftig stieß sie ihn gegen die Brust und befreite sich aus seiner Umarmung. Ohne nachzudenken holte sie aus und schlug ihm mit der flachen Hand so hart sie konnte ins Gesicht.
Die Ohrfeige schallte so laut wie ein Schuss aus einer Muskete.
Sein Gesicht zuckte kaum unter dem Schlag, doch der Abdruck ihrer Hand begann, sich leuchtend rot auf seiner Wange abzuzeichnen.
Wie betäubt presste sie die Hand an den Mund, denn sie wusste, die heftige Reaktion hatte sich genauso sehr gegen ihre eigenen Gefühle wie gegen ihn gerichtet.
Welche Macht hatte dieser Mann nur über sie?
Der Atem kam ihr stoßweise über die Lippen, während sie darum kämpfte, die Beherrschung wiederzuerlangen, darum kämpfte, die mächtigen Sehnsüchte zum Schweigen zu bringen, die immer noch in ihr brannten. Sie sah ihm in die Augen, und die Eindringlichkeit, die sie darin las, erschütterte sie bis ins Mark. Sein graublauer Blick durchbohrte sie, als könne er ihr Innerstes sehen – ihre tiefsten Geheimnisse.
»Du hast deinen Standpunkt klargemacht«, sagte sie heiser, und ihr Atem ging rau. »Ich hasse dich, aber mein Körper begehrt dich. Wenn es deine Absicht war, mich zu demütigen, dann ist es dir gelungen.«
Sein Gesicht war eine kalte, unerbittliche Maske. Wenn man ihn so sah, hätte man niemals vermuten können, dass unter seiner stählernen Zurückhaltung solche Leidenschaft existierte – doch sie hatte sie gespürt. Noch vor wenigen Augenblicken hatte er sie mit mehr Gefühl geküsst, als sie je für möglich gehalten hätte. Als wolle er sie mehr als alles andere auf der Welt. Als wäre sie von Bedeutung.
»Ich versichere dir«, sagte er monoton, »dich zu demütigen war das Letzte, was ich im Sinn hatte.«
Die besitzergreifende Art, mit der er sie ansah, sagte ihr deutlich, was er im Sinn gehabt hatte. Er wollte sie, und das Schlimmste war, dass sie ihn ebenfalls wollte.
Einen Augenblick lang ließ sie ihre Verteidigung sinken und sah ihn flehend an. »Bitte, lass mich einfach in Ruhe, damit ich zumindest so viel Frieden finde, wie ich kann.«
Er schüttelte den Kopf. »Wir wissen beide, dass das unmöglich ist.«
Und weil sie fürchtete, dass er recht hatte, fing sie an zu laufen.
10
S ie rannte von ihm fort, als wäre der Teufel hinter ihr her. Auf eine gewisse Weise, vermutete Jamie, traf das wohl auch zu. Doch vor dem, was zwischen ihnen loderte, würde sie nicht davonlaufen können.
Er ließ sie gehen – für dieses Mal.
Er hätte sie nicht küssen sollen. Es war noch zu früh. Monatelang hatte sie ihn für den Tod ihrer Familie verantwortlich gemacht. Er hätte ihr Zeit geben müssen, das zu akzeptieren, was er ihr gesagt hatte.
Nicht in der Lage, sich abzuwenden, starrte er ihr nach. Auch wenn sie sich verändert hatte, war ihre Schönheit immer noch unwiderstehlich. Sie bewegte sich mit natürlicher Anmut und Grazie, während sie den Pfad zur Burg hochhastete und ihr Haar wie ein seidiger schwarzer Schleier hinter ihr her wehte.
Das alte Plaid, das sie trug, hatte sich gelöst, und sie hielt es zusammengeknüllt in den Armen. Bedauern versetzte ihm einen Stich. Das schlichte Unterkleid und der kirtle waren ein heftiger Gegensatz zu den feinen Gewändern, in denen er sie bisher stets gesehen hatte. Die Dinge, die ihr einst Vergnügen bereitet hatten, wurden nun kaum noch eines Gedankens gewürdigt.
Prinzessin hatte er sie damals genannt. Nun kam ihm der Vergleich grausam vor.
Sie hatte sich geändert, und nicht nur, was die Wahl ihres Zierrats betraf. Nein, die Veränderungen gingen viel tiefer. Wo einst Naivität und Unschuld gewesen waren, fanden sich nun ängstlicher Argwohn und Leid – aber auch ein hartes Glitzern in den Augen, das früher nicht da gewesen war.
Eines allerdings hatte sich nicht geändert. Sie besaß immer noch die verblüffende Fähigkeit, ihn die Kontrolle verlieren zu lassen. Je härter sie versuchte, ihn von sich zu stoßen, umso mehr wollte er sie dazu zwingen, sich einzugestehen, was zwischen ihnen war. Wie es schien, war das Einzige, das sie nicht leugnen konnte, ihre Leidenschaft.
Sie hielt es für Lust. Doch Lust war nur ein simples Gefühl, und da war nichts Simples an der glühenden Anziehungskraft und stählernen Verbindung zwischen ihnen.
Leise pfiff er nach seinem Reittier, und der mächtige schwarze Hengst trabte schnell an seine Seite. Nachdem er die Zügel aufgenommen hatte, machte er sich auf
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