Stolz und Verfuehrung
Stunde verbrachten sie und Hilda mit der Besprechung der Zutaten, die in der kommenden Woche für die verschiedenen Pasteten benötigt wurden. Dann kam Issy herein, die Zwillinge im Schlepptau. Bei Ems Anblick brachen die beiden Mädchen sofort in lautstarke Klagen über die Übungsstunden aus, die sie jeden Morgen am Klavier im Gastraum absolvieren mussten.
»Und dann«, behauptete Bea empört, »schleppt Issy uns nach draußen und jagt uns auf den großen, großen Berg!«
Issy verdrehte die Augen. »Nur den Hügel hinauf bis zur Kirche.«
»Es war windig!« Gertie nahm am Tisch Platz. »Aber Issy meinte, wir müssten rauf. Wegen der Inspritation.«
»Inspiration«, korrigierte Issy geduldig und fing Ems Blick auf. »Heute Nachmittag gibt es Zeichenunterricht.«
Em nickte und schaute die Zwillinge an. »Ich hoffe, dass ihr zwei den Ausblick in eurem Gedächtnis gespeichert habt. Ich werde hochkommen und mir die Zeichnungen ansehen, sobald ihr fertig seid.«
Normalerweise hätten die beiden sich beschwert, doch die ofenfrischen Pasteten, die Hilda genau in diesem Moment vor sie hingestellt hatte, und ihr Appetit sorgten dafür, dass sie alles andere vergaßen.
Em wechselte einen zärtlichen Blick mit Issy.
Hilda bot Issy eine Pastete an, aber Issy lehnte ab. »Ich werde später mit euch essen. Erst will ich sehen, wie die Pasteten bei den Gästen ankommen.«
Em stimmte zu, denn schließlich war es Issy gewesen, die die verschiedenen Füllungen mit Hilda zusammengestellt hatte. Und solange Issys kulinarischer Beitrag sich auf die Kreation von Rezepten beschränkte, hatte sie nichts dagegen einzuwenden, dass ihre Schwester in der Küche half.
Em schlenderte selbst durch den Schrankraum, nachdem die Pasteten hineingebracht und den hungrigen Gästen serviert worden waren. Sie beobachtete die Gesichter und sah, wie einige Gäste die Augen schlossen und genüsslich kauten, bevor sie mit dem Ausdruck des Entzückens ihre volle Aufmerksamkeit der Mahlzeit widmeten.
Em warf Issy quer durch den Raum einen anerkennenden Blick zu und lächelte zufrieden. In spätestens einer Stunde wären die Pasteten ausverkauft.
Auf dem Weg zur Küchentür blieb sie neben Issy und Hilda stehen, die ebenfalls gekommen war, um Erfolg oder Misserfolg ihrer Arbeit persönlich zu begutachten. »Ich würde sagen, morgen können Sie doppelt so viele Portionen zubereiten.«
»Aye.« Hilda nickte. Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Morgen doppelt so viel, und dann sehen wir weiter.«
Em betrat wieder den Schankraum, ging am Ausschank vorbei machte sich auf den Weg zu ihrem Büro. Die alte Mrs Smollet, die neben der Tür saß, winkte sie herüber, um sie zur Hammelpastete zu beglückwünschen.
»Danke. Ich werde Ihre freundlichen Worte der Köchin ausrichten.« Em wendete sich ab und hielt inne, als sie in einem Sonnenstrahl stand, der durch die Tür ins Gasthaus eindrang; dann trat sie einen Schritt zurück, um ihr Reich besser überblichen zu können. Zu den Mittagsgästen gesellten sich bereits die ersten abendlichen Gäste. Sie hätte sich keine größere Anerkennung ihrer Arbeit wünschen können.
Gerade schoss ihr durch den Kopf, dass ihr Dienstherr über die Entwicklung höchst erfreut sein sollte, als das Sonnenlicht über ihr sich zu verflüchtigen schien.
Ohne sich umzudrehen, wusste sie, wer eingetroffen war. Wer sie im wahrsten Sinne des Wortes wieder heimsuchte ... als hätte sie ihn mit der Kraft ihrer Gedanken herbeigezaubert.
Ihr erster Impuls war es, sich hastig in die Sicherheit ihres Büros zu flüchten. Aber es gab keinen sicheren Hafen. Nicht vor ihm. Em wollte sich schon in Bewegung setzen, als ihr plötzlich einfiel, dass der Platz, an dem sie sich gerade befand, nämlich in Sichtweite eines großen Teils der Dorfbevölkerung, ihr die größte Sicherheit bieten würde.
Sie lehnte sich zurück, war sich mit jeder Faser ihres Daseins bewusst, dass er weniger als einen halben Meter hinter ihr stand.
»Man kann Sie nur beglückwünschen, Miss Beauregard. Unter Ihrer Leitung blüht das Gasthaus regelrecht auf.«
Die Worte rauschten förmlich an ihrem Ohr vorbei. Es war, als ob seine tiefe Stimme die höfliche Floskel beinahe in eine Zärtlichkeit verwandelte.
Ohne sich umzudrehen, senkte sie den Kopf, wirkte dabei allerdings ein wenig steif. »Danke. Ich werde Ihre Anerkennung an die Mitarbeiter weitergeben.«
»Tun Sie das.«
Em blieb die Belustigung in seiner Stimme nicht
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