Stolz und Verfuehrung
auf den Beinen war.
Vielleicht könnte sie sich mit einer erfundenen Geschichte ins Haus mogeln - doch eine solche Geschichte müsste auch eine Durchsuchung des Kellers plausibel erklären und ihr darüber hinaus auch noch erfolgreich über die Lippen kommen, was äußerst unwahrscheinlich war. Damit blieb nur die Möglichkeit, die Keller zu durchsuchen, nachdem der ganze Haushalt zu Bett gegangen war. Sie musste in den Keller einbrechen, am Besten durch die Türen im Außenbereich, die sie entdeckt hatte, und unablässig beten, dass niemand sie erwischen möge.
Die Aussicht darauf machte sie zu einem reinen Nervenbündel.
Schlimmer noch, es sah danach aus, dass sie es allein tun musste - allein die Hand an den Schatz legen. Dabei hatte Em immer angenommen, dass Issy an ihrer Seite sein würde, oder, genauer gesagt, dass ihre Schwester ihr den Rücken freihalten würde. Aber Issy verbrachte ihre spärliche freie Zeit mit Mr Filing - und es kam keineswegs infrage, dass Em sich dort einmischte.
Wenn Issy die Chance auf ein glückliches Leben mit dem Vikar hatte - ein Leben, wie Em es für sich selbst längst nicht mehr sah -, dann würde sie alles tun, was in ihrer Macht stand, um die Romanze zu fördern. Nein, sie würde ihrer Schwester keine Steine in den Weg legen.
Die Durchsuchung des Kellers warf eine Menge Probleme auf und barg viele Risiken. Em wusste, bevor sie sich auf so ein wildes und gefährliches Abenteuer einließ - wie ihre Colyton-Seele es nur zu gern täte -, musste sie sicherstellen, dass es sich bei Ballyclose Manor tatsächlich um das höchste Haus, das Haus des Höchsten aus den Versen handelte.
Nachdem sie sich am Freitagvormittag vergewissert hatte, dass der inzwischen üblich gewordene Tagesablauf im Gasthaus seinen Gang ging, nahm sie sich die drei geliehenen Bücher und eilte nach Colyton Manor. Sie hatte die drei Bände überflogen, aber abgesehen von einer kurzen Passage über Ballyclose und einer beiläufigen Erwähnung von Colyton Manor fand sie in den Büchern nichts über die Häuser, die bereits im späten sechzehnten und frühen siebzehnten Jahrhundert existiert hatten - zu jener Zeit, als die Verse erstmals weitergegeben worden waren.
Beim Haus des Höchsten würde es sich um das Haus des ranghöchsten Mitgliedes der damaligen Dorfgemeinschaft handeln, und das war nicht unbedingt das Haus desjenigen, der jetzt diese Stellung einnahm. Also musste es nicht zwingend Ballyclose sein - sie durfte keinerlei Zweifel haben, wenn sie irgendetwas unternahm.
Sie ging an den Häuschen vorbei und erreichte die niedrige Steinmauer, die den Garten vor dem Anwesen umfasste. Der Garten blühte noch ungewöhnlich üppig, er barst geradezu vor Pflanzen aller Art - Rosen, Lavendel, Geißblatt und zahllose blühende Büsche und Kletterpflanzen, die zusammen eine prächtige Palette von Farben und Düften bildeten.
Über dem Gartentor, das genau in der Mitte direkt vor dem Eingang platziert war, bog sich ein Spalier, an dem eine üppige Kletterrose prangte; die großen apricotfarbenen Blüten schaukelten in der leichten Brise hin und her. Em löste den Riegel und trat ein, schloss das Tor und hielt inne. Sie sog den Duft des Gartens ein und ging dann mit entschlossenem Schritt weiter zum Eingang.
Der Butler Bristleford antwortete auf ihr Klopfen. Sie wartete in der Halle, während er sich vergewisserte, dass seine Herrin Besuch empfing.
Em schaute sich prüfend nach Anzeichen für die Anwesenheit eines männlichen Besuchers um, zweifelte aber daran, dass ihre Nemesis so früh unterwegs war. Die ausgesuchte Kleidung, die er gewöhnlich trug, schrie geradezu heraus, dass er vor einiger Zeit aus London aufs Land gezogen war. Daher nahm sie an, dass er seine Londoner Gepflogenheiten noch nicht ganz abgelegt hatte.
»Miss Beauregard.« Phyllida Cynster erschien im hinteren Teil der Halle. »Bitte gesellen Sie sich doch zu uns ins Wohnzimmer«, lud sie Em lächelnd ein.
Em erwiderte das Lächeln und ging ein paar Schritte vorwärts. »Ich bringe Ihnen diese Bücher zurück.« Sie reichte Phyllida die Bände.
»Haben Sie die Informationen gefunden, nach denen Sie gesucht haben?« Phyllida nahm das Paket, trat zurück und winkte Em ins Wohnzimmer.
»Sogar ein bisschen mehr«, Em wollte Zeit gewinnen, »aber ich bin immer noch neugierig und möchte mehr über die Vergangenheit des Dorfes erfahren. Vor allem über die großen Anwesen rundherum und die bedeutenden Familien.« Kurz hinter der Tür blieb
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