Stolz und Verlangen
übereilten Ehe, die ich irgendwann bereue, gefällt mir ebenso wenig.“
Leandro musterte sie kühl. Er hätte – nicht ohne Grund – etwas mehr Begeisterung von ihr erwartet. Welche Frau in ihrer Position würde noch zögern, seinen Antrag anzunehmen? Was hielt sie zurück? Etwa der große blonde Mann mit den ölverschmierten Händen? „Die Möglichkeit zu einer Scheidung existiert nicht“, stellte er klar.
Diese Erklärung beeindruckte sie eher, als dass sie sich verschreckte. Einem Mann, der bei der ersten Hürde aufgab, wollte sie ihre Zukunft nicht anvertrauen. Sie wollte auch keine leeren Versprechen von ihm hören. Liebe konnte er ihr nicht geben, dafür aber andere Dinge. Eine Ehe mit Leandro bedeutete finanzielle Sicherheit für sie und ihr Kind. Was noch wichtiger war … ihr Kind würde mit seinem Vater großwerden, in einer normalen Familie. Sie sollte überhaupt nur an die Vorzüge für ihr Kind denken, anstatt sich Gedanken um sich selbst zu machen …
„Molly, wie lautet also deine Antwort?“
Sie fühlte sich bedrängt und verwirrt. „Ich brauche Zeit zum Nachdenken.“
„Zeit ist etwas, das wir nicht haben. Und worüber musst du da noch nachdenken?“
„Allein die Tatsache, dass du eine solche Frage stellst, ist Beweis für deine enorme Arroganz“, murmelte sie gepresst.
Seine Augen blickten kalt wie Eis. „Ein Nein akzeptiere ich nicht. Solltest du einer Ehe nicht zustimmen, sehe ich mich gezwungen, vor Gericht das Sorgerecht einzuklagen.“
Das Tempo, mit dem er von Antrag auf Drohung umschwenkte, schockierte Molly. Sie wich zurück. „Versuchst du etwa, mich einzuschüchtern?“
„Nein, ich sage nur, wie es ist und was passieren wird, wenn du mich nicht heiratest. Soll ich lügen? Ich dachte, dir wäre es lieber, alle Fakten zu kennen.“ Er fasste nach ihrem Handgelenk, damit sie nicht noch weiter von ihm zurückweichen konnte. „Ich bin sicher, du wirst die richtige Entscheidung für uns alle treffen.“
Mit jäher Klarheit erkannte sie, dass sich unter seiner geschliffenen Fassade und den erlesenen Manieren die gleichen aggressiven, dominanten und grausamen Instinkte verbargen wie bei dem Anführer einer Straßengang, der sein Territorium verteidigte. „Ich möchte jetzt nach Hause gehen“, sagte sie tonlos.
„Morgen früh lassen wir die Schwangerschaft bestätigen, und dann gibst du mir deine Antwort. Aber erst …“ Er stieß hart den Atem aus und zog sie an sich.
Molly wollte sich ganz bewusst gleichgültig geben, doch sein hungriger, heißer Kuss jagte einen Stoß begieriger Erregung durch ihren Körper. Sie musste sich am Revers seines Jacketts festhalten, weil ihre Knie nachgaben.
„Du willst gar nicht gehen, querida “, murmelte er samten.
Am liebsten hätte sie laut losgeschrien, doch das würde sie nur kindisch und unbeherrscht aussehen lassen. Und obwohl jede Faser in ihr danach verlangte, sich an ihn zu lehnen, widerstand sie der Versuchung. Diesen inneren Kampf mit sich selbst zu gewinnen ließ sie sich trotzdem als Verlierer fühlen, denn in einem Punkt hatte Leandro auf jeden Fall recht – sie wollte nicht gehen.
Jez kam Molly in der Diele entgegen, als sie zur Haustür hereinkam. „Und?“
„Leandro will mich heiraten.“
Jez war ganz offensichtlich perplex.
„Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn morgen meine Antwort wissen lasse.“
Jez zog eine Grimasse. „Du bist völlig hingerissen von ihm. Da wirst du wohl kaum Nein sagen.“
Molly hob den Kopf. „Er ist der Vater meines Kindes. Sollte ich ihm da nicht wenigstens eine Chance geben?“
In dieser Nacht tat sie kein Auge zu. War sie wirklich fasziniert von Leandro Carrera Marquez? Vermutlich schon. Während sie schlaflos im Bett lag, durchlebte sie noch einmal den hitzigen Kuss. Es waren Bilder und Gefühle, die sie nach mehr verlangen ließen. Beschämt über diese sinnliche Sehnsucht in sich, vergrub sie das Gesicht in den Kissen. Leandro hatte ihr mit einem Sorgerechtsprozess gedroht. Er hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er das Kind wollte, ob nun ehelich oder unehelich geboren. Sollte sie ihn dafür nicht respektieren? Sie wollte ihr Kind nicht allein großziehen. Sie konnte ihrem Baby nicht die Sicherheit und all die Vorteile bieten, die eine Ehe mit Leandro mit sich bringen würde. Wie konnte sie da Nein sagen?
Aber einen Mann zu heiraten, den sie kaum kannte, und in ein anderes Land zu ziehen, dessen Sprache sie nicht sprach, bedeutete eine riesige Herausforderung.
Weitere Kostenlose Bücher