Stolz und Verlangen
Weg, den sie gehen konnte und gehen musste, der gefährlichste und unvernünftigste war.
Sie hatte Jasper ihr Vertrauen geschenkt und würde es ihm auch nicht wieder entziehen. Das konnte sie nicht. Sie liebte ihn zu sehr.
»Das habe ich Ihnen mitgebracht.«
Jasper wandte sich vom Bett ab, auf dem verschiedene Kleidungsstücke zur Auswahl ausgebreitet waren. Er lächelte Lynd zu, der in der Wohnzimmertür stand und jetzt mit einem zusammengefalteten weißen Taschentuch in der Hand auf ihn zukam. Als Jasper das Taschentuch entgegennahm, bemerkte er in einer Ecke das eingestickte L.
»Es hat meinem Großvater gehört«, erklärte Lynd und schob die Hände in die Taschen seines aufwendig verzierten Gehrocks aus feiner Wolle. Ungewöhnlich nervös wippte er auf den Absätzen. »Es wurde an meinen Vater weitergereicht, dann an mich. Es war mein Wunsch, dass Sie es an Ihrem Hochzeitstag bei sich tragen.«
Jasper kamen die Tränen, und das Monogramm verschwamm vor seinen Augen. Lynd war für ihn nicht nur ein Mentor, sondern auch eine Vaterfigur. Es berührte ihn zutiefst, dass Lynd ihn wie einen Sohn behandelte. »Danke.«
Mit zitternder Hand wehrte Lynd ab.
Auf diese offenkundige Gemütsbewegung hin konnte Jasper nicht anders, als auf seinen alten Freund zuzugehen und ihn zu umarmen. Sie drückten sich einen Moment und klopften sich dann auf die Schultern.
»Wer hätte gedacht, dass Sie einmal eine reiche Erbin heiraten würden?«, sagte Lynd in ruppigem Ton, um seine Rührung zu überspielen. »Und obendrein die Nichte eines Earls.«
Sorgfältig legte Jasper das Taschentuch auf das Bett. »Auch ich werde es erst dann glauben, wenn der Schwur gesprochen und die Zeremonie beendet ist.«
»Das junge Ding kann sich glücklich schätzen, Sie zu haben. Wenn sie auch nur einen Funken Verstand hat, weiß sie das.«
»Sie ist die intelligenteste Frau, die ich kenne. Sehr humorvoll. Ohne jede Arglist.« Jasper sah sich im Zimmer um, das voller Erinnerungen an Eliza steckte. »Und so leidenschaftlich, wie man es niemals erwarten würde.«
»Nun, ich würde es bestimmt nicht erwarten«, erwiderte Lynd trocken, worauf Jasper in schallendes Gelächter ausbrach.
Lächelnd musterte Lynd ihn. »Sie hat Sie verändert. Mir wird erst jetzt klar, dass dies eine Liebesheirat ist.«
Jasper holte tief Luft. Er hatte seine Gefühle für Eliza nicht benannt. Vielleicht deshalb, weil er Angst davor hatte. Er wollte und brauchte sie, und er konnte sie haben. Damit war er zufrieden gewesen.
Er drehte sich zum Bett um und deutete auf ein Ensemble aus hellgrauen Breeches, einer silberbestickten Weste und einem rauchgrauen Gehrock. »Was halten Sie davon?«
Lynd stellte sich neben ihn und legte die Hände in die Hüften. »Haben Sie nichts Farbenfroheres?«
Sofort fiel Jasper wieder Elizas Bemerkung über Lynds absonderlichen Geschmack ein. Ein Schmunzeln verbergend, schüttelte er den Kopf. »Leider nicht. Die Kleidung habe ich für Sie vorgesehen. Schließlich kann ich nicht zulassen, dass Sie auf meiner Hochzeit besser gekleidet sind als ich, oder?«
Mit großen Augen sah Lynd ihn an. »Sie wollen mich bei Ihrer Hochzeit dabeihaben?«
»Eine Trauung ohne Sie käme für mich nicht infrage. Wer soll neben mir stehen, wenn nicht mein alter Freund?«
Lynds Nase wurde rot, und seine Augen schimmerten feucht.
Ein Klopfen ertönte an der offenen Tür. Jasper warf einen Blick über die Schulter. Patrick Crouch stand auf der Schwelle, den Kopf leicht eingezogen, um nicht am Türsturz anzustoßen. »Da ist eine Frau, die zu Ihnen möchte. Ich habe ihr gesagt, dass Sie heute niemanden empfangen, doch sie erwähnte Lord Montague, und ich dachte, das sollten Sie wissen.«
»Ist sie noch da?«
»Ja.«
Jasper ging zu dem Sessel neben der Tür, auf den er seinen Gehrock geworfen hatte.
Lynd räusperte sich. »Ich komme mit Ihnen.«
Sie gingen ins Erdgeschoss hinunter und weiter in Jaspers Arbeitszimmer. Jasper lehnte sich gegen die Schreibtischfront, während Lynd auf einem Schaukelstuhl Platz nahm und die Beine übereinanderschlug. Gleich darauf betrat eine zierliche Brünette den Raum. Sie war eine hübsche Frau mit vollem braunem Haar und kornblumenblauen Augen. Ihr Rücken war kerzengerade d urchgestreckt und der Kopf hoch erhoben. Huldvoll übergab sie dem Butler ihr pelzbesetztes Cape und den Muff und sah sic h dann mit einem langen, prüfenden Blick im Arbeitszimmer um.
Schließlich wandte sie sich Jasper zu. »Mr. Bond, nehme ich
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