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Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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derzeitigen Leichtsinn nicht in alle Ewigkeit so weitergehen kann, dann wird sie dir und jeder Belehrung sehr schnell über den Kopf gewachsen sein. Man wird sie dann nicht mehr ändern können, und sie wird mit sechzehn Jahren das flatterhafteste Geschöpf sein, das jemals sich und seine Familie mit seinen Flirts lächerlich gemacht hat. Und zwar mit Flirts im seichtesten Sinne des Wortes —, ein Mann muß bei ihr nur gut aussehen und darf nicht zu alt sein, mehr Ansprüche stellt sie schon heute nicht. Bei ihrer Unerfahrenheit und Dummheit wird sie es nicht einmal verstehen, dem Spott und der Verachtung vorzubeugen, die ihre hemmungslose Gefallsucht hervorrufen muß. Und mit Kitty ist es nicht viel anders; sie betrachtet Lydia als ihr Vorbild, dem sie folgen muß. Eitel, dumm, nichtsnutzig und ohne jedes Gefühl für Anstand — alle beide! Meinst du nicht auch, Vater, daß man sie überall tadeln und verachten und daß man ihre Schwestern in dieses Urteil mit einbeziehen wird?«
    Mr. Bennet sah, daß Elisabeth wirklich aus vollem Herzen sprach; er ergriff ihre Hand und antwortete begütigend: »Mach dir keine Sorgen, Elisabeth. Wer dich und Jane kennt, muß euch lieben und achten; und ihr werdet darum nicht weniger geachtet werden, weil ihr zwei oder vielmehr drei sehr alberne Schwestern habt. Aber wir werden nie auf Longbourn Ruhe bekommen, wenn Lydia jetzt nicht nach Brighton darf. Lassen wir sie also fahren. Oberst Forster ist ein einsichtiger Mensch; er wird schon dafür sorgen, daß sie sich keine ernstliche Dummheit zuschulden kommen läßt. Und Gott sei Dank ist sie zu arm, um irgendeinen dieser Mitgiftjäger wirklich zu interessieren. In Brighton wird sie selbst als Flirt nur eine unbedeutende Rolle spielen können, die Offiziere werden dort viele Frauen finden, die sich mehr lohnen. Wir dürfen also eher hoffen, daß ihr Aufenthalt dort sie lehren wird, weniger eingebildet zu sein. Und was auch geschehen mag, sehr viel schlimmer als bisher kann sie es nicht treiben, ohne Gefahr zu laufen, von mir für den Rest ihres Lebens eingesperrt zu werden.«
    Mit dieser Antwort mußte Elisabeth sich zufrieden geben; aber sie war nichts weniger als beruhigt und verließ ihren Vater traurig und enttäuscht. Es lag jedoch nicht in ihrer Natur, ihrem Kummer oder Ärger unentwegt nachzuhängen. Sie wußte, daß sie getan hatte, was in ihrer Macht stand, und jetzt mußten die Dinge eben ihren Lauf nehmen; sie konnte sie nicht ändern und hatte keine Lust, sich noch mehr Gedanken darüber zu machen.
    Hätten Lydia und ihre Mutter den Inhalt ihrer Unterredung mit ihrem Vater auch nur geahnt, ihre vereinigte Redegabe hätte ihrer Empörung schwerlich gerecht werden können. Lydias Vorstellung von dem Besuch in Brighton barg alle Möglichkeiten zu unendlichem Glück. Ihre Einbildungskraft erblickte schon die Straßen jenes vornehmen Bades zum Bersten mit Offizieren gefüllt, und sie selbst war darin der Mittelpunkt allgemeiner Aufmerksamkeit. Sie sah den Truppenplatz in all seiner Herrlichkeit, die gerade ausgerichteten weißen Zelte, das Gewimmel von jungen, fröhlichen Menschen und, alles beherrschend, das Scharlachrot der Uniformen. Und als Krönung des Ganzen sah sie sich neben einem großen Zelt sitzen und auf anmutige Weise mit mindestens einem halben Dutzend Hauptleuten auf einmal flirten.
    Was hätte sie wohl gedacht, hätte sie gehört, daß ihre eigene Schwester bemüht war, sie um all diese Freuden zu bringen? Nur ihre Mutter konnte solches wissen, denn sie hätte sehr ähnliche Gedanken selbst gehegt. Daß wenigstens Lydia nach Brighton fahren sollte, war ihr einziger Trost für den immer stärker werdenden Verdacht, daß ihr Mann nicht einen Augenblick die Absicht gehabt hatte, mit der ganzen Familie dorthin zu reisen.
    Mit dem Tag ihrer Abreise rückte auch der Tag heran, an dem Elisabeth Wickham zum letzten Mal zu sehen hoffte. Seit ihrer Rückkehr hatte sie ihn häufig getroffen; sein Anblick hatte sie jedoch in keiner Weise erregt, und von irgendwelcher Sympathie konnte überhaupt keine Rede mehr sein. Im Gegenteil, sie hatte inzwischen in seiner stets gleichbleibenden Höflichkeit und Gewandtheit eine deutliche Verstellung entdeckt und empfand die Aufmerksamkeit, mit der er sich ihr wieder zu nähern versuchte und die ihr früher so lieb gewesen war, jetzt geradezu als beleidigend. Und erst recht beleidigend war es, daß er überdies anzunehmen schien, sie müsse sich durch seine neuerliche eitle Werbung

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