Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
Bennet, wissen Sie, mit wem Sie reden? Ich bin eine solche Sprache nicht gewöhnt. Bis auf seine unmündige Schwester bin ich seine nächste Verwandte und daher berechtigt, von seinen Heiratsabsichten unterrichtet zu werden.«
»Das gibt Ihnen aber nicht das Recht, die meinen zu erfahren, und Ihr Benehmen gibt mir keine Veranlassung, Sie darüber aufzuklären.«
»Verstehen Sie mich richtig, Miss Bennet. Diese Heirat, die Ihnen so am Herzen zu liegen scheint, wird niemals stattfinden! Niemals! — Verstehen Sie? Mr. Darcy ist nämlich mit meiner Tochter verlobt. Nun, was haben Sie darauf zu sagen?«
»Nur das eine, daß, wenn es sich so verhält, Sie ja keinen Grund zu der Annahme besitzen, er bemühe sich um mich.«
Lady Catherine zögerte einen Augenblick und erwiderte dann: »Mit der Verlobung der beiden hat es eine besondere Bewandtnis. Sie sind schon als Kinder für einander bestimmt worden. Es war ebensosehr der Lieblingswunsch seiner Mutter wie der meinige. Während die beiden Kinder noch in ihren Wiegen lagen, hatten wir schon ihre Verbindung beschlossen. Und jetzt, wo unser beider Wünsche mit der Heirat unserer Kinder ihre Erfüllung finden sollten, wollen Sie unsere Pläne vereiteln? Sie, ein junges Mädchen, das meinem Neffen in keiner Hinsicht ebenbürtig ist und zu seiner Familie überhaupt keine Beziehungen hat! Achten Sie denn die Wünsche seiner Verwandten für nichts? Sind Sie wirklich so gewissenlos, sich einfach über sein heimliches Verlöbnis mit Miss de Bourgh hinwegzusetzen? Ist Ihnen denn jedes Zartgefühl und jeder Sinn für Schicklichkeit abhanden gekommen? Haben Sie nie davon gehört, daß mein Neffe von Jugend auf für seine Cousine bestimmt war?«
»Jawohl, ich hörte sogar schon früher davon. Aber was geht das mich an? Wenn sonst nichts dagegen spricht, daß ich Ihren Neffen heirate, sehe ich nicht ein, warum mich die Kenntnis von dem Wunsch seiner Mutter und seiner Tante, er möge Ihre Tochter heiraten, davon abhalten soll, ihm mein Jawort zu geben. Ich verstehe, daß Sie alles dafür getan haben, um Ihren Plan zu verwirklichen. Wenn aber Mr. Darcy seine Cousine weder liebt, noch sich ihr gegenüber irgendwie verpflichtet fühlt, warum soll er keine andere Wahl treffen können? Und falls seine Wahl auf mich gefallen ist, warum sollte ich ihn abweisen?«
»Weil Ihr Ehrgefühl, Ihre Klugheit und nicht zum wenigsten das gesellschaftliche Interesse Ihnen das gebieten muß. Ja, Miss Bennet, gesellschaftliches Interesse! Denn erwarten Sie nicht, daß seine Familie und seine Freunde Ihnen je auch nur die geringste Beachtung schenken werden, wenn Sie so rücksichtslos gegen uns alle handeln. Im Gegenteil, Sie werden von jedem Menschen, der meinem Neffen nahesteht, mißachtet und gemieden werden. Diese Ehe würde Ihnen nur Unglück bringen, und Ihr Name würde allgemein und für immer totgeschwiegen werden.«
»Das sind allerdings sehr schwerwiegende Gründe«, erwiderte Elisabeth, »aber die Frau von Mr. Darcy muß, glaube ich, so viele Ursachen haben, um mit ihm glücklich zu werden, daß es sie für alles andere entschädigen wird.«
»Sie störrisches, eigensinniges Mädchen! Ich schäme mich für Sie! Ist das Ihre Dankbarkeit für all die Freundlichkeiten, die ich ihnen im Frühjahr erwiesen habe? Fühlen Sie sich mir gegenüber nicht ein bißchen verpflichtet? — Aber setzen wir uns, und lassen Sie es sich ein für allemal gesagt sein, Miss Bennet, daß ich mit dem festen Entschluß hierhergekommen bin, meinen Vorsatz auch auszuführen, und mich durch nichts davon abbringen lassen werde. Ich bin es nicht gewohnt, mich den Launen anderer Menschen zu fügen.«
»Das wird Ihre Situation jetzt nicht angenehmer machen, gnädige Frau, aber mich kann das nicht beeinflussen.«
»Unterbrechen Sie mich gefälligst nicht! Ich verlange, daß Sie mich anhören! Meine Tochter und mein Neffe sind füreinander geschaffen. Mütterlicherseits stammen sie von derselben alten Adelsfamilie ab und väterlicherseits ebenfalls von sehr ehrenwerten alten, wenn auch nicht adligen Familien. Beider Vermögen ergänzt sich auf das beste. Und was können Sie dem entgegenhalten? Nichts als die Anmaßung eines jungen Mädchens ohne Familie, ohne Vermögen und ohne irgendwelche Beziehungen. Das ist wahrhaftig noch nicht dagewesen! Und wird auch nicht sein, verlassen Sie sich darauf! Wenn Sie vernünftig wären, würden Sie schon in Ihrem eigenen Interesse nicht wünschen wollen, den Kreis, in dem Sie
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