Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
aufgewachsen sind, zu verlassen.«
»Ich wüßte nicht, inwiefern ich durch eine Heirat mit Ihrem Neffen in eine andere Sphäre hinüberwechseln würde. Er stammt aus bester Familie und ich ebenfalls; in dieser Beziehung dürften wir uns wohl ebenbürtig sein.«
»Jawohl, Ihr Vater — ja; er ist ein Mann von Stand. Aber Ihre Mutter? Und Ihre Onkel und Tanten? Glauben Sie etwa, ich wüßte über deren Herkunft und Beruf nicht Bescheid?«
»Was auch meine Verwandten mütterlicherseits immer sein mögen«, sagte Elisabeth, »wenn Ihr Neffe sich nicht an ihnen stößt, kann es Ihnen doch gleichgültig sein.«
»Sagen Sie mir jetzt endlich, ob er sich mit Ihnen verlobt hat!« Obwohl Elisabeth diese Frage um keinen Preis der Welt beantwortet haben würde, nur, um Lady Catherine einen Gefallen zu tun, konnte sie doch nicht umhin, nach einem Augenblick des Zögerns zu sagen:
»Nein, gnädige Frau.«
Lady Catherine atmete sichtlich erleichtert auf. »Und versprechen Sie mir«, fuhr sie fort, »daß Sie es auch nicht zu einer Verlobung kommen lassen werden?«
»Das kann ich Ihnen nicht versprechen.«
»Miss Bennet, Sie setzen mich wirklich in Erstaunen! Ich erwartete, in Ihnen eine vernünftigere junge Dame vorzufinden. Aber geben Sie sich keinen Täuschungen darüber hin, daß ich etwa meine Meinung ändern könnte. Ich werde nicht eher von hier fortgehen, bis Sie mir dieses Versprechen gegeben haben.«
»Und ich werde Ihnen niemals ein solches Versprechen geben, gnädige Frau. Ich bin durch solche sinnlosen Begründungen nicht einzuschüchtern. Ich begreife durchaus, daß Sie Ihre Tochter mit Mr. Darcy zu verheiraten wünschen; aber glauben Sie denn ernsthaft, daß mein Versprechen, Ihren Neffen abzuweisen, ihn veranlassen würde, seine Cousine zu heiraten? Erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, Lady Catherine, daß die Gründe, mit denen Sie Ihr merkwürdiges Anliegen an mich rechtfertigen, ebenso töricht sind wie das Anliegen selbst. Sie haben sich allerdings weitgehend in meinem Charakter geirrt, wenn Sie annehmen, ich könne auf solche Weise mürbe gemacht werden. Ich weiß nicht, was Ihr Neffe über Ihre Einmischung in seine Privatangelegenheiten denkt, aber jedenfalls haben Sie kein Recht, sich in meine Angelegenheiten zu mischen. Ich muß Sie daher bitten, mich nicht weiter mit diesem Thema zu belästigen.«
»Oh, bitte, nicht so hastig. Miss Bennet! Ich bin noch lange nicht am Ende. Außer den Einwänden, die ich bereits vorbrachte, habe ich noch einen sehr wesentlichen Punkt anzuführen: mir sind nämlich die einzelnen Begleitumstände der schändlichen Flucht Ihrer jüngsten Schwester genau bekannt. Ich bin über alles im Bilde und weiß auch, daß die Heirat nur durch große Geldopfer von seiten Ihres Vaters und Ihres Onkels zustandegekommen ist. Und solch ein Mädchen soll die Schwägerin meines Neffen werden — und dieser Wickham, der Sohn von dem Verwalter seines Vaters, der Schwager eines Darcy? Ja, was bilden Sie sich denn eigentlich ein? Ich werde es gewiß nicht zulassen, daß das Andenken der Ahnherren von Pemberley in dieser Weise geschändet wird!«
»Jedenfalls können Sie mir jetzt nichts mehr zu sagen haben«, entgegnete Elisabeth gereizt. »Sie haben mich auf alle erdenkliche Weise beleidigt, und ich muß Sie bitten, ins Haus zurückzukehren.«
Mit diesen Worten erhob sie sich, Lady Catherine stand ebenfalls auf und beide gingen wieder zum Garten zurück. Die Herrin von Rosings war begreiflicherweise merklich aufgebracht.
»Die Ehre und das Ansehen meines Neffen lassen Sie also völlig kalt«, fuhr sie Elisabeth noch einmal an, »Sie herzlose und selbstsüchtige Person! Sind Sie sich darüber klar, daß eine Verbindung mit Ihnen ihm in den Augen der ganzen Welt schaden wird?«
»Lady Catherine, ich habe nichts mehr zu sagen. Meine Meinung kennen Sie bereits.«
»Sie sind also entschlossen, ihn zu heiraten?«
»Das habe ich durchaus nicht behauptet. Ich bin lediglich entschlossen, so zu handeln, daß ich auf meine Art glücklich werde, ohne mich daran von Ihnen oder irgendeinem anderen Menschen, der mir ebenso wenig nahesteht, hindern zu lassen.«
»Nun gut, Sie weigern sich also, mir gefällig zu sein, und weigern sich, den Geboten der Pflicht, der Ehre und der Dankbarkeit zu gehorchen. Sie wollen meinen Neffen nicht nur mit seiner Familie entzweien, sondern ihn auch der Geringschätzung der ganzen Welt preisgeben.«
»Weder Pflicht, noch Ehre oder Dankbarkeit können mir in diesem
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