Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
Augenblick etwas zu gebieten haben, und keine von diesen Tugenden würde durch eine Heirat von mir mit Mr. Darcy verletzt. Was die Empörung seiner Familie oder die Entrüstung der Welt betrifft, so würde mich das auch nicht einen einzigen Augenblick lang bekümmern können. Die Welt pflegt im allgemeinen viel zu vernünftig zu sein, um sich einem Familienfluch anzuschließen.«
»Und das ist Ihre ehrliche Überzeugung? Das ist Ihr endgültiger Beschluß? Sehr gut — jetzt weiß ich wenigstens, was ich zu tun habe. Bilden Sie sich nur ja nicht ein, Miss Bennet, daß Ihr Ehrgeiz sich bezahlt machen wird! Ich wollte Sie auf die Probe stellen und hoffte, Sie würden Vernunft annehmen; aber verlassen Sie sich darauf, ich werde meinen Willen schon durchsetzen!«
Auf solche Weise tobte Lady Catherine, bis sie an ihrem Wagen angelangt waren. Bevor sie einstieg, wandte sie sich noch einmal zu dem jungen Mädchen um und sagte: »Ich verabschiede mich nicht von Ihnen, Miss Bennet; ich bitte Sie auch nicht, mich Ihrer Mutter zu empfehlen. Sie haben sich jeden Anspruchs auf Höflichkeit begeben; Ihre Haltung hat mein größtes Mißfallen erregt!«
Elisabeth antwortete nichts darauf und kehrte langsam ins Haus zurück, ohne auch nur den Versuch zu machen, den Zorn der hohen Dame zu beschwichtigen. Als sie die Treppe hinaufstieg, hörte sie den Wagen davonfahren. Ihre Mutter kam ihr schon entgegen und fragte sie, warum Lady Catherine denn nicht noch einmal hereingekommen sei, um sich etwas auszuruhen.
»Sie hatte wohl keine Lust dazu«, erwiderte ihre Tochter.
»Sie ist eine wirklich vornehme Dame! Und wie liebenswürdig von ihr, uns aufzusuchen? Ich glaube, sie kam tatsächlich nur vorbei, um uns mitzuteilen, daß es den Collins gut geht. Sie befindet sich offenbar auf einer Reise, und als sie durch Meryton kam, hat sie den Abstecher zu uns heraus gemacht, um dich zu begrüßen. Oder hatte sie dir etwas Besonderes mitzuteilen?«
Elisabeth mußte sich zu einer kleinen Notlüge verstehen, denn den Inhalt ihrer Unterhaltung auch nur anzudeuten, war natürlich gänzlich ausgeschlossen.
57. KAPITEL
E s fiel Elisabeth nicht leicht, des Aufruhrs ihrer Gedanken Herr zu werden, den dieser merkwürdige Besuch heraufbeschworen hatte. Noch lange danach konnte sie an nichts anderes denken. Lady Catherine schien sich tatsächlich der Mühe dieser Reise nur zu dem Zweck unterzogen zu haben, um gegen die angebliche Verlobung ihres Neffen energisch Einspruch zu erheben. Von ihrem Standpunkt aus gesehen, sehr verständlich, zweifellos! Aber von welcher Seite ihr dieses Gerücht zu Ohren gekommen war, blieb Elisabeth zunächst unerfindlich. Aber da waren ja doch die zahlreichen Klatschbasen der Umgebung. Für die bedurfte es keines weiteren Beweises; wenn sie selbst die Schwester der Braut und er der beste Freund des Bräutigams waren, deren Hochzeit demnächst stattfinden sollte, dann fehlte doch so gut wie nichts, um aus ihr und Darcy ein neues Paar zu machen. Auch sie hatte ja bereits öfters daran gedacht, daß die Ehe ihrer Schwester sie zwangsläufig häufiger mit Darcy zusammenbringen werde. Und die guten Freunde in Lucas Lodge denn diese Quelle vermutete sie hinter der Rederei, die über die Collins an Lady Catherine gelangt war — hatten dementsprechend nur etwas als ausgemacht und unmittelbar bevorstehend hingestellt, was sie lediglich einmal als eine in weiter Ferne liegende Möglichkeit betrachtet hatte.
Als Elisabeth sich jedoch Lady Catherines Worte noch einmal ins Gedächtnis zurückrief, konnte sie eine gewisse Unruhe nicht unterdrücken, wenn sie an die Folgen dieses hartnäckigen Widerstandes dachte. Nach alldem, was die Dame über ihren festen Entschluß, die Heirat um jeden Preis zu verhindern, gesagt hatte, mußte Elisabeth annehmen, daß sie sich nun unmittelbar an ihren Neffen zu wenden beabsichtigte. Wie er eine gleiche Aufzählung all der Nachteile einer Verbindung mit ihr aufnehmen werde, daran wagte sie nicht zu denken. Davon wußte sie ja nichts, wie sehr er seiner Tante wirklich zugetan war und wie weit er etwas auf ihr Urteil gab; sicherlich glaubte sie, in der Annahme nicht fehlzugehen, daß er in jedem Fall mehr von Lady Catherine hielt als sie. Und weiterhin unterlag es für sie gar keinem Zweifel, daß es ihn an seiner verwundbarsten Stelle treffen mußte, wenn man ihm ausmalte, wie schrecklich das Leben an der Seite einer Frau sein würde, deren nächste Verwandte so tief unter ihm standen. Bei seinem
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