Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
Tante erzählen konnte, wie Elisabeth befürchtet hatte. Sein Vorschlag fand Anklang. Mrs. Bennet beteiligte sich natürlich nicht und auch Mary vermochte sich nicht von ihren Büchern loszureißen, aber die anderen fünf brachen unverzüglich auf. Bingley und Jane ließen die a nderen vorausgehen und folgten ihnen in gemächlicherem Schritt, und bald hatten sie Darcy, Elisabeth und Kitty aus den Augen verloren. Diese drei hatten wenig Lust zur Unterhaltung. Kitty fühlte sich durch Darcy zu sehr eingeschüchtert, um in seiner Anwesenheit zu sprechen, und Elisabeth bereitete sich innerlich mit dem Mute der Verzweiflung auf eine Entscheidung vor; und — wer weiß? — vielleicht war er in der gleichen Weise mit seinen Gedanken beschäftigt.
Ihr erstes Ziel war Lucas Lodge, wo Kitty ihre Freundin Maria besuchen wollte. Elisabeth setzte ihren Weg, nachdem Kitty sie verlassen hatte, allein mit Darcy fort, ohne auf die beiden anderen zu warten. Jetzt war also der Augenblick für die Entscheidung gekommen.
»Mr. Darcy, ich bin eine sehr selbstsüchtige Person und kann keinerlei Rücksicht auf Ihre Gefühle nehmen, da es gilt, mich selbst von einer drückenden Last zu befreien. Ich muß Ihnen endlich danken für Ihre beispiellose Güte gegen meine arme Schwester. Seitdem ich davon Kenntnis bekommen habe, bedrückt es mich, daß ich Ihnen nicht sagen durfte, wie von Herzen dankbar ich Ihnen für Ihre Hilfe bin. Wüßte meine Familie davon, dann würden Sie nicht bloß mit meiner Dankbarkeit vorliebnehmen müssen.«
»Es tut mir leid — sehr leid«, erwiderte Darcy, zugleich verwundert und bewegt, »daß Sie etwas von dieser Angelegenheit erfahren haben, die Sie überdies offensichtlich noch falsch aufgefaßt haben müssen. Anders kann ich es mir nicht erklären, daß Sie sich dadurch bedrückt fühlen. Ich hätte nicht gedacht, daß ich mich so wenig auf Mrs. Gardiners Verschwiegenheit verlassen durfte.«
»Sie dürfen meiner Tante keine Schuld geben. Lydia gab mir zuerst versehentlich zu verstehen, daß Sie etwas mit der Sache zu tun gehabt haben, und danach ruhte ich selbstverständlich nicht eher, bis ich alle Einzelheiten erfahren hatte. Ich kann Ihnen, auch im Namen meiner ganzen Familie, nicht genug danken für dieses großherzige Mitgefühl, das Sie vor keiner Mühe und keiner Unannehmlichkeit zurückschrecken ließ, bis Sie Ihren Zweck erreicht hatten.«
»Wenn Sie mir schon unbedingt danken müssen«, antwortete er, »dann tun Sie es bitte nur in Ihrem eigenen Namen. Ich will nicht leugnen, daß mir der Gedanke, Sie dadurch wieder froh zu machen, vor allen anderen Überlegungen kam. Ihre Familie schuldet mir nichts. So viel ich auch von ihr halte, ich glaube, ich dachte ausschließlich an Sie.«
Elisabeth wußte in ihrer Verlegenheit nicht, was sie erwidern sollte. Nach einer kleinen Pause fügte Darcy hinzu: »Sie sind zu ehrlich, um mich täuschen zu wollen, wenn Sie noch genau so denken wie letzten April, dann sagen Sie es mir bitte ohne Schonung. Meine Gefühle und Wünsche sind unverändert geblieben; aber ein Wort von Ihnen genügt, und ich werde nie mehr darüber sprechen.«
Elisabeth erkannte, wie ungewöhnlich peinlich ihm das alles sein mußte; sie hörte aus seinen Worten seine Unruhe und Besorgnis heraus und zwang sich daher zu einer Antwort. Sie gab ihm, wenn auch etwas stockend, zu verstehen, daß ihre Gefühle sich seit dem Frühjahr so sehr geändert hätten, daß sie heute über seine Versicherung nur Freude und Dankbarkeit empfinden könne.
Diese Antwort löste ein Glücksgefühl in ihm aus, wie er es vielleicht noch nie gekannt hatte, und er gab ihm mit so vernünftigen und warmen Worten Ausdruck, wie man sie nur von einem Liebenden erwarten kann. Hätte Elisabeth es gewagt, ihn anzusehen, dann wäre sie gewahr geworden, wie gut ihm diese von Herzen kommende Freude zu Gesicht stand. Aber wenn sie auch nicht sehen konnte, so konnte sie doch hören, und jedes Wort, das er zu ihr sprach, zeigte ihr, wieviel sie ihm bedeutete, und ließ sie seine Liebe immer stärker empfinden.
Sie achteten nicht mehr darauf, wohin sie gingen; es gab zu viel, was gedacht, gefühlt, besprochen werden mußte, als daß sie noch für irgend etwas anderes hätten Sinn haben können. Er erzählte, daß das Glück, das er jetzt in Händen halte, nicht zuletzt das Werk seiner Tante sei, die ihn auf ihrer Durchreise durch London aufgesucht habe, um ihm von ihrem Besuch auf Longbourn und dem Inhalt ihrer Unterredung
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