Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
Hymne mit den besten Wünschen, Lady Lucas möge bald von einem ähnlichen Glück sprechen können, wobei allerdings ihr Gesicht deutlich die siegesfreudige Überzeugung verriet, daß nichts sie mehr in Erstaunen versetzen würde.
Vergeblich versuchte Elisabeth, den Wortstrom ihrer Mutter einzudämmen oder sie doch wenigstens zu veranlassen, ihr Glück in einem weniger hörbaren Flüsterton zu verkünden; denn zu ihrer größten Beschämung bemerkte sie, daß Darcy, der ihnen gegenüber saß, aufmerksam zuhörte.
Ihre Mutter aber schalt sie nur, sie solle doch keinen Unsinn reden.
»Wer ist denn Mr. Darcy, ich bitte dich, daß ich mich vor ihm in acht nehmen sollte? Ich bin der Meinung, daß wir ihm gegenüber in keiner Weise verpflichtet sind, darauf Rücksicht zu nehmen, was er hören will oder nicht.«
»Um Himmels willen, Mutter, sprich doch bitte leiser! Was hast du davon, Mr. Darcy zu beleidigen? Seinem Freund wirst du dadurch nicht besser gefallen!«
Aber sie konnte sagen, was sie wollte, nichts wirkte. Ihre Mutter gab ihren Ansichten und Hoffnungen weiter in der hörbarsten Weise Ausdruck. Elisabeth kam vor Scham und Ärger aus dem Erröten nicht heraus. Sie konnte es nicht lassen, hin und wieder zu Darcy hinüberzuschielen, obgleich ihr jeder ihrer Blicke bestätigte, was sie fürchtete; er sah zwar nicht immer zu ihrer Mutter hin, aber er schien mit größter Aufmerksamkeit auf ihre Worte zu lauschen. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich allmählich von ärgerlicher Verachtung zu gefaßter Ruhe.
Zu guter Letzt jedoch fand selbst Mrs. Bennet nichts mehr zu sagen; und Lady Lucas, die schon lange innerlich gegähnt hatte, durfte sich endlich in Ruhe dem kalten Huhn und dem Schinken widmen.
Elisabeth begann wieder aufzuatmen.
Als nach dem Essen die Rede vom Musizieren war, ließ sich Mr. Collins also vernehmen: »Wenn ich die Gottesgabe besäße, singen zu können, würde es mir ein großes Vergnügen sein, den Anwesenden mit einem Liedchen zu dienen. Denn ich betrachte die Musik als eine sehr unschuldige Unterhaltung und in keiner Weise mit dem Beruf eines Geistlichen unvereinbar. Damit will ich jedoch nicht gesagt haben, daß wir zu viel unserer Zeit mit Musik hinbringen sollten; denn es gibt noch mancherlei anderes, das getan sein will. Ein Seelsorger ist Vater seiner Gemeinde und hat als solcher vielerlei Verpflichtungen. Zunächst muß er einmal dafür Sorge tragen, daß die Kirchenabgaben ihm selbst zum Wohl und seinem Patron nicht zum Ärger gereichen. Sodann hat er seine Predigten selbst auszuarbeiten. Und die Zeit, die ihm darüber hinaus noch bleibt, ist nicht allzu reichlich bemessen, wenn er seinen sonstigen Pflichten in der Gemeinde nachgehen und seinem Heim die notwendigen Verbesserungen angedeihen lassen will; denn es gibt keine Entschuldigung für ihn, wenn er sich nicht so wohnlich und gemütlich wie möglich einzurichten versteht. Auch erachte ich es für keine geringe Aufgabe, gegen jedermann ein liebenswürdiges und aufmerksames Betragen an den Tag zu legen, zumal denen gegenüber, denen er seine Stellung verdankt. Ich würde nicht viel von einem Menschen halten, der eine Gelegenheit versäumt, seine Hochachtung irgendeinem Mitglied der Familie seines Gönners zu erweisen.«
Und mit einer Verbeugung gegen Darcy hin verstummte er endlich. Er war überall im Zimmer gut verständlich gewesen. Viele starrten ihn erstaunt an, viele lächelten; aber niemand schien sich besser unterhalten zu haben als Mr. Bennet, während seine Frau Mr. Collins ob seiner verständigen Worte lobte und Lady Lucas laut flüsternd mitteilte, das sei ein ungewöhnlich kluger, netter junger Mensch.
Elisabeth kam zu der Auffassung, daß ihre ganze Familie sich verschworen haben mußte, sich im Laufe des Abends so nachdrücklich wie möglich bloßzustellen. Ein Glück nur, Bingley schien wenig davon bemerkt zu haben. Daß aber seine beiden Schwestern und Mr. Darcy Gelegenheit hatten, über die Bennets zu lachen, war mehr als schlimm; Elisabeth wußte nur nicht, was sie mehr ärgerte, die schweigende Verachtung Darcys oder das unverschämte Lächeln der beiden Damen.
Der Rest des Abends brachte kaum noch Erfreuliches. Mr. Collins, der ihr nicht von der Seite wich, fiel ihr auf die Nerven; und wenn es ihm auch nicht gelang, einen weiteren Tanz von ihr zu erhalten, so hinderte er sie doch, von jemand anderem gebeten zu werden. Es nützte nichts, daß sie ihn immer wieder ersuchte, eine der anderen Damen
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