Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
der, wie ich hoffe, noch viele Jahre zu leben haben wird — seinen Besitz erben soll und daß ich daher zur Beruhigung meines Gewissens eine seiner Töchter zur Frau zu nehmen gedachte, um sie den Verlust so wenig wie möglich fühlen zu lassen, wenn das traurige Ereignis einmal eintrifft, was, wie ich eben erwähnte, hoffentlich noch lange nicht der Fall sein wird. Dieses waren meine Überlegungen, liebe Cousine, und ich schmeichle mir, daß sie Ihrer Achtung vor mir keinerlei Abbruch zu tun vermögen. Ich habe dem nun nichts mehr hinzuzufügen, außer Ihnen auf das feierlichste die Stärke meiner Zuneigung für Sie zu versichern. Geld ist mir vollständig Nebensache, und ich gedenke in keiner Weise ein Verlangen dieser Art an Ihren Vater zu stellen, schon weil ich überzeugt bin, daß einem solchen doch nicht nachgekommen werden könnte. Weiterhin weiß ich auch, daß alles, was Ihnen sonst zusteht, die tausend Pfund zu vier Prozent sind, die Ihnen aber erst zufallen werden, wenn Ihre Mutter von hinnen scheidet. Über diesen Punkt will ich also kein Wort verlieren; und nehmen Sie meine Versicherung entgegen, daß kein ungerechter Vorwurf dieser-halb über meine Lippen kommen soll, nachdem wir verheiratet sind.«
Eine Unterbrechung war nun einfach dringend notwendig.
»Sie sind zu vorschnell«, rief Elisabeth verzweifelt. »Sie vergessen, daß ich noch kein Wort zu alledem gesagt habe. Lassen Sie es mich unverzüglich nachholen: nehmen Sie meinen herzlichsten Dank entgegen für die Ehre, die Sie mir soeben erwiesen haben. Denn als eine solche betrachte ich Ihren Antrag, wenn ich ihn auch nicht annehmen kann.«
»Es ist mir nichts Neues«, sagte Mr. Collins mit einer abwehrenden Handbewegung, »daß es bei jungen Damen Sitte ist, den Mann zunächst abzuweisen, den sie innerlich doch zu erwählen bereit sind, wenn er zum erstenmal mit seinem Antrag vor sie hintritt; ich weiß auch, daß selbst das zweite und dritte Mal zuweilen eine abschlägige Antwort erteilt zu werden pflegt. Ihre Antwort entmutigt mich deshalb keineswegs, und ich hoffe nach wie vor, Sie binnen kurzem zum Altar geleiten zu dürfen.«
»Aber ich bitte Sie«, rief Elisabeth, »eine solche Hoffnung ist doch sehr merkwürdig nach dem, was ich Ihnen soeben sagte. Ich versichere Ihnen, ich bin nicht eine von diesen jungen Damen — wenn es solche tatsächlich geben sollte —, die ihr Glück aufs Spiel setzen in der Erwartung, ein zweites Mal gefragt zu werden. Meine Ablehnung war im vollsten Ernst gesprochen. Sie könnten mich nicht glücklich machen, und ich bin überzeugt, daß ich die letzte Frau in der Welt wäre, mit der Sie glücklich werden könnten. Und wenn Ihre Freundin Lady Catherine mich kennte, würde sie mich bestimmt in jeder Beziehung höchst unpassend für eine solche Stellung finden!«
»Wenn das allerdings der Fall wäre —«, meinte Mr. Collins ernsthaft. »Aber ich kann mir gar nicht denken, daß Lady Catherine an Ihnen nicht Gefallen fände. Seien Sie versichert, daß ich bei meinem nächsten Zusammentreffen mit ihr in der lobendsten Weise von Ihrer Bescheidenheit, Sparsamkeit und allen anderen Eigenschaften sprechen werde, die Sie so liebenswert machen.«
»Wirklich, Mr. Collins, alle Ihre Lobesworte werden umsonst sein. Erlauben Sie mir, das selbst zu beurteilen, und haben Sie die Freundlichkeit, meinen Worten zu glauben. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen alles Glück und großen Reichtum, und indem ich Ihnen meine Hand verweigere, tue ich, was in meiner Macht steht, um Ihnen dazu zu verhelfen. Sie haben mir den Antrag gemacht und damit Ihrem Zartgefühl in bezug auf meine Familie Genüge und alle Ehre getan; Sie können also das Erbe antreten, ohne Ihr Gewissen beunruhigen zu müssen. Und jetzt, glaube ich, braucht über diese Angelegenheit kein weiteres Wort mehr gewechselt zu werden!«
Und damit erhob sie sich und hätte das Zimmer verlassen, wenn nicht Mr. Collins wieder begonnen hätte.
»Wenn ich mir demnächst das Vergnügen bereite, mit Ihnen erneut über diese Angelegenheit zu sprechen, hoffe ich, eine andere Antwort zu erhalten. Es liegt mir fern, Ihnen im Augenblick Grausamkeit vorwerfen zu wollen, denn ich weiß, daß Sie nur nach den althergebrachten Gewohnheiten Ihres Geschlechtes handeln, wenn Sie mich beim ersten Antrag abweisen, und ich möchte fast vermeinen, aus Ihren Worten trotzdem entnehmen zu können, was der Ermunterung meiner Werbung dienlich sein kann, ohne Ihre Scheu zu verletzen.«
»Sie
Weitere Kostenlose Bücher