Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
aufzufordern, mit denen sie ihn bekanntmachen wollte. Er versicherte ihr, daß ihm am Tanzen überhaupt nicht viel gelegen sei, sondern nur daran, ihr Gefallen zu gewinnen, und daß er daher vorhabe, sie nicht einen Augenblick allein zu lassen. Dagegen ließ sich leider schwerlich etwas sagen oder tun. Ihre einzige Erholung verschaffte ihr Charlotte Lucas, die sie wiederholt aufsuchte und gutmütig einen Teil von Mr. Collins’ Unterhaltung auf sich nahm.
Wenigstens hatte Elisabeth nichts weiter von Mr. Darcy zu befürchten; obwohl er sich häufig in ihrer Nähe aufhielt, versuchte er doch nie, sie anzureden. Sie schrieb dies ihrem Gespräch über Wickham zu und freute sich darüber.
Die Longbourn-Familie brach als letzte auf. Durch ein geschicktes Manöver hatte Mrs. Bennet es nämlich verstanden, die Vorfahrt ihres Wagens um eine gute Viertelstunde zu verzögern, nachdem sich die ganze übrige Gesellschaft schon verabschiedet hatte; die feinfühligeren Mitglieder der Familie fanden so reichlich Muße, feststellen zu können, wie herzlich einige von den Netherfields sie aus dem Hause wünschten. Mrs. Hurst und ihre Schwester Caroline öffneten den Mund lediglich, um zu gähnen und sich für todmüde zu erklären. Sie erwiesen sich gegenüber jedem Versuch Mrs. Bennets, irgendwelches Gespräch anzuknüpfen, als unzugänglich, und das gelangweilte Schweigen, das sich infolgedessen über die Anwesenden breitete, fand eine eintönige Unterbrechung nur durch eine längere Rede Mr. Collins’, in der er Mr. Bingley und seinen Schwestern seine Bewunderung zollte für das gelungene Fest und die Aufmerksamkeit, die sie in so liebenswürdiger Weise ihren Gästen erwiesen hätten. Darcy sagte gar nichts. Mr. Bennet schwieg ebenfalls, genoß aber die Szene innerlich mit großem Behagen. Mr. Bingley und Jane standen ein wenig abseits und unterhielten sich leise miteinander. Elisabeth wetteiferte mit Darcy und ihrem Vater im Schweigen. Und sogar die sonst unermüdliche Lydia war zu abgespannt, um mehr als ein vernehmliches Gähnen zur Unterhaltung beizusteuern.
Als es dann endlich so weit war, daß man aufbrechen konnte, gab Mrs. Bennet ihrer Hoffnung beredten Ausdruck, alle Netherfielder auch einmal bei sich in Longbourn als Gäste begrüßen zu dürfen. Sie wandte sich dabei besonders an Bingley und versicherte ihm, sie würden sich alle schrecklich freuen, wenn er einmal an einem ganz zwanglosen Essen im Kreise der Familie teilnehmen wolle; er sei zu jeder Zeit willkommen, einer besonderen Einladung bedürfe es dazu nicht. Bingley dankte ihr erfreut und versprach, bei erster Gelegenheit sie beim Wort zu nehmen, sobald er von London wieder zurückgekehrt sei, wohin er am folgenden Tage auf kurze Zeit fahren müsse.
Mrs. Bennet war hochbefriedigt und verließ das Haus mit der festen Überzeugung, daß es jetzt nur eine Frage der Vorbereitungsdauer für die Ausstattung, für eine neue Kalesche und die Brautkleider sei, ob ihre älteste Tochter schon in drei oder erst in vier Monaten auf Netherfield ihren Einzug halten würde. Daß sie eine weitere Tochter an Mr. Collins verheiraten werde, stand für sie gleichfalls fest, was ihr eine zwar nicht ebenso große, aber doch immerhin eine erhebliche Befriedigung verschaffte. Elisabeth war ihr von allen ihren Kindern am wenigsten lieb; und obwohl Mr. Collins sich natürlich nicht im entferntesten mit Mr. Bingley messen konnte, erschien er ihr für diese Tochter als Partie und Ehegatte gut genug.
19. KAPITEL
D er nächste Tag brachte eine weitere Entwicklung mit sich: Mr. Collins erklärte sich in aller Form. Nachdem er den Entschluß gefaßt hatte, keine Zeit mehr zu verlieren, da sein Urlaub schon am kommenden Sonnabend zu Ende war und seine Siegesgewißheit von keinem Zweifel angefochten wurde, ging er sehr korrekt vor unter Beobachtung aller Regeln, die seiner Ansicht nach zu diesem Schritt gehörten. Bald nach dem Frühstück fand er Mrs. Bennet, Elisabeth und eine der jüngeren Schwestern beisammen und redete die Mutter unverzüglich wie folgt an: »Madame, darf ich hoffen, auf ein gutes Wort für mich bei Ihrer Tochter Elisabeth rechnen zu können, wenn ich bei dieser im Laufe des Morgens um die Ehre einer persönlichen Unterredung einkomme?«
Elisabeth hatte kaum Zeit, überrascht zu erröten, als ihre Mutter schon antwortete: »Oh ja, gewiß. Ich bin überzeugt, daß Lizzy glücklich sein wird. Ich bin sicher, sie wird sich sehr freuen. Komm, Kitty, du mußt mir oben
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