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Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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ihren Vorwürfen und Anschuldigungen gewesen war, richtete sich ihr Zorn gegen sie selbst, und Darcys enttäuschte Hoffnungen rührten sie dann zu aufrichtigem Mitleid. Seine Zuneigung erregte ihre Dankbarkeit, seine Haltung ihre Achtung; aber sie konnte ihn nicht gernhaben, sie empfand keinen Augenblick Reue über ihre abschlägige Antwort und verspürte auch keine Lust, ihn so bald wiederzusehen. Ihr eigenes früheres Verhalten war ihr eine ständige Quelle des Ärgers und Bedauerns, aber mehr noch bekümmerte sie der Makel, der ihrer Familie — vor allem infolge der schlechten Manieren ihrer jüngsten Schwestern — anhaftete. Es war alles einfach hoffnungslos.
    Ihr Vater begnügte sich damit, die Mädchen auszulachen; er würde sich niemals dazu aufschwingen, etwas gegen die Leichtfertigkeit und Ungezogenheit seiner jüngeren Töchter zu unternehmen. Und ihre Mutter hatte selbst zu eigenartige Begriffe von gutem Benehmen, um irgend etwas Tadelnswertes an Kitty und Lydia entdecken zu können. Elisabeth und Jane waren schon mehr als einmal übereingekommen, daß etwas geschehen müsse; aber was konnten sie schon anfangen, wenn ihre Eltern entweder zu gleichgültig oder zu nachsichtig waren? Kitty, die nicht einen Funken Stolz besaß und in allem ihrer Schwester Lydia die Führung überließ, spielte jedesmal die Beleidigte, wenn Jane oder Elisabeth sie ins Gebet nahmen; und Lydia selbst war viel zu dickköpfig und unvernünftig, um ihre Schwestern auch nur anzuhören. Dumm, faul und eitel, das waren sie! Solange Meryton nur eine kurze Strecke Wegs von Longbourn entfernt lag und solange Meryton auch nur einen Offizier beherbergte, mit dem sie flirten konnten, war ihnen alles andere völlig einerlei.
    Seitdem Darcys Erklärung Bingley wieder ganz gerechtfertigt hatte, machte Elisabeth sich noch größere Sorgen um Jane, da sie jetzt erst richtig verstehen konnte, was ihre Schwester an ihm verloren hatte. Seine Zuneigung hatte sich als aufrichtig, sein Verhalten den Umständen nach als begreiflich erwiesen; man konnte ihm höchstens noch seine allzu große Abhängigkeit von dem Urteil seines Freundes vorwerfen. Wie schmerzlich war da der Gedanke, daß diese Neigung zwischen den beiden, die einen so glücklichen Ausgang zu nehmen versprochen hatte, der Dummheit und Taktlosigkeit ihrer eigenen Familie zum Opfer gefallen war!
    Wenn man bedenkt, daß zu all diesem noch die Entdeckung des wahren Charakters Wickhams kam, kann man sich wohl leicht vorstellen, daß Elisabeth, die bis dahin kaum gewußt hatte, was es heißt, bedrückt zu sein, Mühe hatte, auch nur einigermaßen vergnügt zu erscheinen.
    Während der letzten Woche ihres Aufenthaltes waren sie so oft auf Rosings zu Gast wie in der ersten Zeit. Auch den allerletzten Abend verbrachten sie dort. Und Lady Catherine stellte noch einmal dieselben Fragen nach allen Einzelheiten ihrer Reise, hielt einen kleinen Vortrag über die Kunst des Packens und ereiferte sich dabei so sehr über die einzig mögliche und richtige Art, ein Kleid zu falten, daß Maria unter diesem Eindruck den Entschluß faßte, ihre ganzen Koffer noch einmal umzupacken.
    Beim Abschied wünschte Lady Catherine ihnen voll herablassender Freundlichkeit eine gute Reise und lud sie beide für das nächste Jahr wieder ins Pfarrhaus ein; Miss de Bourgh ließ sich sogar zu der Andeutung eines Knickses herbei und reichte den jungen Mädchen die Hand.

38. KAPITEL
    A m nächsten Morgen erschienen Elisabeth und Mr. Collins zufällig einige Minuten vor den anderen beim Frühstückstisch; er ergriff sogleich die Gelegenheit, die schwülstigen Phrasen hervorzuholen, ohne die er sich einen Abschied nun einmal nicht denken konnte.
    »Es ist mir nicht bekannt, Miss Elisabeth«, sagte er, »ob meine Frau schon unsere große Dankbarkeit für Ihren freundlichen Besuch zum Ausdruck gebracht hat; ich bin indessen fest davon überzeugt, daß Sie dieses Haus nicht verlassen werden, bevor dies nicht geschehen ist. Die Gunst, die Sie uns erwiesen haben — das versichere ich Ihnen —, hat uns beide, meine Frau und mich, tief gerührt. Wir wissen genau, daß unser bescheidenes Heim nicht viel Unterhaltung zu bieten vermag. Unsere einfache Lebensführung, die beengten Räumlichkeiten, unser aufs äußerste eingeschränktes Personal und unsere Weltabgeschiedenheit verursachen gewiß große Langeweile bei einer jungen Dame wie Sie; aber seien Sie überzeugt, daß wir Ihre Liebenswürdigkeit gerade deswegen um so mehr zu

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