Stolzes Herz und heiße Küsse (German Edition)
führte sie zu dem größten Tisch, auf dem die riesige Hochzeitstorte stand. Tagelang hatte sein französischer Koch daran gearbeitet. Gläser, Geschirr und Besteck umgaben sie wie glitzernde Trabanten. Mit etwas Glück könnte ich den restlichen Tag damit zubringen, den Kuchen aufzuschneiden, dachte Juliet.
Blieb noch die Nacht.
11. KAPITEL
Juliet konnte das Warten nicht länger ertragen. Mit einem zornigen Ausruf sprang sie aus dem riesigen Himmelbett und trat an den Kamin. Sie packte den Schürhaken aus Messing und stocherte erbost in den Kohlen herum, worauf ihr die Flammen hell entgegenloderten.
Es war ihre Hochzeitsnacht, sie lag schon seit Stunden im Bett, zumindest kam es ihr in ihrer Erregung so vor. Viele Gäste waren bereits am Nachmittag abgefahren, nur noch ihre Familie, Prinny, Perth und Ravensford waren da. Sie hatte Brabourne bei seinen Freunden zurückgelassen in der Annahme, er würde ihr bald nachfolgen.
Was für eine Närrin sie doch war.
Sie stellte den Schürhaken zurück, trat an das große Fenster und zog die Vorhänge zurück. Wolken jagten über den Himmel und verdeckten die Sterne. Der Mond war nur als schmale Sichel zu sehen. Wenn sie angestrengt lauschte, konnte sie hören, wie die Wellen unten an das steinige Ufer schlugen. Das hier war ein urtümliches, ein vitales Land – wie sein Besitzer.
Sie schloss den Vorhang wieder. Ein wenig heiße Schokolade wäre ihr jetzt recht, vielleicht würde ihr das beim Einschlafen helfen, aber sie wollte nicht, dass irgendjemand von ihrer Schande erfuhr. Ihr Gatte interessierte sich so wenig für sie, dass er nicht einmal seinen ehelichen Pflichten nachkam. Anscheinend hatte sie sich getäuscht, als sie in seinem Blick Begehren zu entdecken vermeinte, nachdem er ihr die Diamanten umgelegt hatte.
Ihre Schläfen begannen zu pochen.
Alle hatten den Mund aufgesperrt, als sie am Vorabend den Salon betreten hatten. Emily war grün vor Neid geworden. Der große vergoldete Spiegel über dem Kaminsims hatte ihr gezeigt, dass die Diamanten an ihrem Hals wie kleine Sonnen strahlten. Sie war schön gewesen, wenn das auch hauptsächlich auf die Juwelen zurückzuführen war. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie sich schön gefühlt.
Nun lagen die Diamanten wieder in ihrer Schatulle auf dem Frisiertisch. Sie selbst war wieder ganz die Alte.
Juliet kroch ins Bett zurück und wickelte sich fest in die Decken. Es war zwar Sommer, doch da Brabourne Abbey so nah am Wasser stand, war es hier empfindlich kühl. Sie kuschelte sich in die weichen Kissen und sagte sich, dass sie ohne Brabourne weitaus besser dran war. Er war viel zu erfahren in dem, was er tat, als dass sie ungeschoren davongekommen wäre.
Brabourne blieb an der Verbindungstür zu Juliets Zimmer stehen. Er hatte alle unter den Tisch getrunken und betrachtete seine frisch angetraute Gattin nun kühl distanziert. Unter dem Nebel, den der exzellente französische Wein hervorgerufen hatte, lauerte seine Begierde. Wenn er den Raum jetzt beträte, wären all seine guten Vorsätze vergebens. Er würde sie zu seiner Frau machen und alles andere zum Teufel schicken.
Eine innere Stimme riet ihm zynisch, es zu tun. Damit würde er die Chance erhöhen, dass ihr erstes Kind von ihm war.
Doch eine andere Stimme, die den wenigen Menschen vorbehalten war, die ihm nahestanden, riet ihm abzuwarten. Bei ihrem ersten Mal verdiente sie einen Mann, der nüchtern genug war, um sich um ihre Empfindungen zu kümmern und ihr Freude zu schenken. Von ihm konnte man das im Moment nicht behaupten.
Er hätte nicht so viel trinken sollen, aber er hatte den Geist seiner Mutter austreiben wollen, ihre Untreue gegenüber dem Mann, den die Welt als seinen Vater ansah. Seine Heirat hatte die ohnehin schwärende Wunde seiner illegitimen Herkunft wieder neu aufgerissen. Es nützte nichts, wenn er sich sagte, dass Juliet nicht wie seine Mutter war. Sie war eine Frau, und er traute Frauen nicht.
Mit geballten Händen und verkrampften Schultern wandte er sich ab und ging zu Bett. Er löschte die Kerze und stellte den Leuchter auf die Nachtkonsole, dann öffnete er den Gürtel seines marineblauen Morgenrocks und ließ ihn zu Boden gleiten. Nackt stieg er in sein kaltes Bett.
Es würde eine lange Nacht werden.
Am nächsten Morgen stand Juliet auf, noch bevor die Zofe ihr Zimmer betrat, und machte das Bett. Sie wusste, dass die erste Bedienstete, die zum Aufräumen hereinkam, sofort erkennen würde, dass sie und Brabourne die Ehe
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