Stolzes Herz und heiße Küsse (German Edition)
nicht vollzogen hatten. Juliet hatte sich nie für besonders stolz gehalten, aber sie könnte es nicht ertragen, wenn bekannt würde, dass ihr Ehemann sich nicht dazu hatte überwinden können, in der Hochzeitsnacht zu ihr zu kommen.
Sie läutete und sagte dem darauf erscheinenden Lakaien, sie wünsche Mrs. Burroughs zu sprechen. Für eine junge Braut war diese Bitte gar nicht so ungewöhnlich. Brabourne hatte sie gestern nach der Zeremonie den Dienstboten vorgestellt – da war es durchaus plausibel, dass sie mit der Haushälterin über die Haushaltsführung sprechen wollte. Was machte es schon, dass es dafür noch ein bisschen früh war? War sie eben exzentrisch.
Mrs. Burroughs kam sofort zu ihr und machte vor Juliet einen Knicks. „Euer Gnaden?“
„Bitte, Mrs. Burroughs, behandeln Sie mich nicht so. Das bin ich nicht gewohnt.“
Die Haushälterin lächelte warmherzig. „Ob Sie nun daran gewöhnt sind oder nicht – Sie sind jetzt die Duchess und müssen Ihre Rolle mit allem, was dazugehört, akzeptieren.“
Juliet rang die Hände und ging im Zimmer auf und ab. Wie stellte man es bloß an, wenn man um Hilfe bitten wollte, etwas Derartiges zu verbergen? Wenn nur Ferguson oder Hobson hier wären.
Nachdem sie aber mit ihrer Weisheit am Ende war, platzte sie heraus: „Mrs. Burroughs, ich brauche Ihre Hilfe. Der Duke ist letzte Nacht nicht zu mir gekommen.“ Vor Scham brannte ihr das Gesicht wie Feuer.
Die runden Backen der alten Frau röteten sich ebenfalls, während sich in ihren Augen Mitgefühl zeigte. „Ach herrje. Ich wusste, dass es ihm schwerfallen würde, aber ich war so sicher, dass er sich genügend zu Ihnen hingezogen fühlt, um … Nun ja. Wir müssen zusehen, dass Sie sich ankleiden, und dann müssen Sie in die Ahnengalerie gehen und sich die Bilder dort ansehen. Niemand wird erfahren, was letzte Nacht nicht geschehen ist. Vor allem Ihre Stiefmutter nicht.“
Juliet wurde leichter ums Herz. Sie hatte eine Verbündete gefunden. Sie zog ein lavendelblaues Tageskleid an und legte sich ein weißes Paisleytuch um die Schultern. Mrs. Burroughs beschrieb ihr den Weg in die Ahnengalerie, und Juliet machte sich auf, neugierig, was sie dort wohl entdecken würde, das Mrs. Burroughs ihr nicht hatte erzählen wollen.
Zweimal verlief sie sich, und schließlich bat sie einen Lakaien, ihr den Weg zu weisen. Der junge Mann verbeugte sich so tief vor ihr, dass ihr noch unbehaglicher zumute wurde. Am Ziel verneigte er sich erneut.
„Ach bitte“, begann sie, zügelte sich aber sofort. Schließlich konnte sie ihn wohl kaum darum bitten, sich nicht dauernd vor ihr zu verbeugen. „Vielen Dank.“
Sie zog das Tuch enger um sich und begann langsam durch die Galerie zu schlendern, wobei sie jedes Porträt im Vorbeigehen aufmerksam betrachtete. Die Moden änderten sich mit jedem Gemälde, ebenso die Damen. Jede Duchess unterschied sich von ihrer Vorgängerin. Sie sah blondes, braunes oder schwarzes Haar, blaue, braune oder graue Augen. Manche Damen waren rundlich, andere dünn, manche groß, andere klein.
Die Männer dagegen wirkten immer gleich. Ihre Kleidung spiegelte natürlich die Mode der jeweiligen Epoche wider, aber ihre Züge änderten sich nie. Alle Dukes hatten blondes Haar und blaue Augen mit schweren Lidern. Ihre arrogant wirkenden Nasen waren an der Spitze nach unten gebogen. Sie hatten schmale Lippen. Auch der letzte Duke, Brabournes Vater, sah aus wie all seine Vorfahren.
Am Ende der Galerie blieb sie stehen und betrachtete die Porträts des letzten Herzogpaars. Die Duchess sah aus wie Brabourne; er hatte ihr rabenschwarzes Haar mitbekommen und ihre durchdringenden blauen Augen. Ihre vollen, sinnlichen Lippen erinnerten ebenfalls an Brabourne. Ihre Nase war gerade und wohlgeformt, jedoch kleiner als seine. Sie war schlank, er war hingegen beinahe mager. Brabournes Kinn war eckiger, aber das war auch der einzige wesentliche Unterschied zwischen ihnen.
Juliet spürte, dass jemand gekommen war, und drehte sich um. Ihr Mann hatte die Galerie betreten und blieb nun neben ihr stehen. Er sah zum Bildnis seiner Mutter auf.
„Wir sehen uns sehr ähnlich.“
Seine barsche Stimme, seine angespannte Haltung verrieten Juliet, dass er verstört war. Mit hartem Blick sah er auf sie hinab.
„Dem letzten Duke gleiche ich hingegen überhaupt nicht.“
„Deinem Vater“, sagte sie, bevor ihr die Wahrheit aufging. Sie war ja so dumm gewesen.
Er versteifte sich. „Alle Welt hält ihn für meinen
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